Chaos de Luxe: Mit dem Vibrator bei Jedermann?

Die dunklen Geheimnisse des Handtaschenkontrolleurs.
Polly Adler

Polly Adler

Handtaschenkontrolle bitte!“ Gehorsam deponierte ich das Ding auf dem Untersuchungstisch des Festspielhauses in Salzburg, der junge Mann startete seinen Tauchgang und meinte anerkennend: „Sehr ordentlich!“ – „Waren Sie auch in der richtigen Handtasche?“ Tatsächlich kann man mir viel vorwerfen, Ordnung gehört definitiv nicht dazu. Er lachte: „Sie können sich nicht vorstellen, was wir hier alles zu sehen bekommen.“ Damit wurde mein Forschungsgeist auf Turbo gestellt: „Wahas zum Beispiel?“ – „Nun ja, auch Damen haben so ihre Bedürfnisse.“ Er replizierte meine Fragezeichen im Blick mit einem leichten Surr-Geräusch. Ob er mit dieser Andeutung einen Rasierapparat oder ein Beglückungsgerät zur sexuellen Autonomie meinte, wollte er nicht verraten. Schließlich stand er im Sold eines seriösen Unternehmens. Angesichts Lars Eidingers atemberaubender „Jedermann“-Performance vergaß ich das Taschen-Komödchen schnell. Null Pose, null testosterontriefendes Poltermimen-Gehabe, einfach in schnellen Strichen einen modernen Mann gezeichnet. Ein Mann, der nicht an Kastrationsängsten leiden würde, wenn er einen Quinoa-Salat zaubert oder eine Impuls-Tanzvorstellung besucht, sensibel, aber nicht weinerlich. Grandios inszeniert. So geht Theater. Ich war platt und glücklich, als ich den Saal verließ. So gesehen fungierte das Stück in dieser Inszenierung wie ein Kunst-Vibrator. Als ich auf die Toilette eines vermeintlich eleganten Cafés ging, sah ich einen Teller für die gerade abwesende Toiletten-Dame: Nichts als Zehn- und Fünf-Cent-Kupfermünzen, kein einziger Euro. Beschämend, denn hier spazierten sicherlich keine Mindestgesicherten umher. Ich dachte an die Nassraum-Wächterin im Burgtheater, die ich immer wieder auf ein Plauscherl besuchte. Im Zuge Ihrer Tätigkeit war ihre Seele zu einem Großraumbüro für Lebensweisheiten geworden. Eine Formel galt nahezu immer: „Je teurer die Handtasche, desto sieriger die Besitzerin beim Trinkgeld.“

pollyadler.at - polly.adler@kurier.at

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