Polly Adlers Chaos de Luxe: You are not on the list!

Ein Loblied auf die Trägheit, das Ritz-Carlton unter den Todsünden
Polly Adler

Polly Adler

Eine heilig gesprochene Spaßbremse hatte einst den Katalog der sieben Todsünden aufgestellt und damit auch das Bashing der Trägheit zu verantworten. Dabei ist die Trägheit in jedem Fall das Ritz-Carlton unter diesen Sünden. Um diese Jahreszeit breitet sie ihre goldenen Flügel aus: bloß keine Termine, vor allem keine Einladungen, wo man Männern (unter dem milden Er-will-doch-nur-spielen-Lächeln ihrer Gattinnen) beim Karbonieren von rotem Fleisch zusehen muss, keine Aperol-Spritz-Nippereien in Begleitung von Fingerfood, das einen auch im Kilo-Konsum einfach nicht satt macht, keine Premieren, wo Shakespeare von Daytime-Schauspielern unter freiem Himmel geschändet wird. „Einfach nur sitzen“, wie es bei Loriot heißt, und zwar bestenfalls mit Menschen mit geringem Konversationsbedürfnis. Allenfalls darf der Luftraum von der Lex Häupl („Man bringe mir den Spritzwein!“) durchschnitten werden. Auch sollte man bei dieser Hitze Brunches meiden, vor allem in der Funktion der Gastgeberin. Wenn man Menschen mitteilt „Kommt doch so ab elf“, sitzt man meistens zwei Stunden alleine da (und sieht den Prosciutto-Blättern beim Kringeln zu), so gegen 14 Uhr kommen dann die, die noch ein paar elendslangweilige „Macht’s-dir-eh-nix-die-sind-total-lieb“-Menschen mitbringen. Und die, die einen im Vorfeld mit ihren Unverträglichkeiten gequält haben (Achtung: „Ziegenkäse ist für mich Selbstmord auf Raten!“) oder zigfach die Frage gestellt haben, ob und was sie mitbringen sollen (Na was wohl! Keinen Käse-Igel, sondern Champagner), tauchen unentschuldigt erst gar nicht auf: „Was? Ich wusste gar nicht, dass das so fix war ...“ Wochen später werden sie einem bei einer zufälligen Begegnung mit einem vorwurfsvollen „Wir haben uns lange nicht gesehen“ begrüßen, der Subtext lautet „Eine Einladung wäre längst einmal fällig“. Es sind meist die, die selbst nie einladen. Dann sollte man, ungeachtet der Konsequenzen, den alten Bouncer-Spruch „So sorry, you are not on the list“ ablassen.

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