Kann mein Vater seine Unterhaltszahlungen einstellen?

Maria In der Maur-Koenne ist Rechtsanwältin in Wien
Die Rechtsanwältin Maria In der Maur-Koenne beantwortet juristische Fragen zu praktischen Fällen aus dem großen Reich des Rechts.
Maria  In der Maur-Koenne

Maria In der Maur-Koenne

Im Herbst beginne ich mein siebentes Semester Wirtschaftsrecht an der Wirtschaftsuniversität Wien. Zugegeben habe ich im ersten Jahr keine Prüfung bestanden und war mit dem Studium ziemlich überfordert. Dann lief es aber besser, und ich habe im dritten bis fünften Semester wirklich viele Prüfungen bestanden. Letztes Semester habe ich aber wegen Corona wieder gar keine Prüfungen gemacht.

Mein Vater, der immer schon gegen meine Studienwahl war, will mir nun keinen Unterhalt mehr zahlen, weil er meint, ich würde gar nicht wirklich studieren, sondern nur mein Studentenleben genießen. Kann er seine Zahlungen einfach so einstellen?

Florian K., Wien

Lieber Herr K., Kinder haben bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit einen Unterhaltsanspruch gegen ihre Eltern, mit denen sie nicht im gemeinsamen Haushalt leben. Eine Matura alleine stellt keine abgeschlossene Berufsausbildung dar, weshalb die Unterhaltspflicht für die Zeit eines Studiums grundsätzlich aufrecht bleibt.

Während eines Studiums hat ein Student aber nur dann weiter einen Unterhaltsanspruch, wenn er sein Studium ernsthaft und zielstrebig betreibt. Durch den Beginn des Studiums wird grundsätzlich der Eintritt der Selbsterhaltungsfähigkeit so lange hinausgeschoben, wie die durchschnittliche Dauer dieses Studiums beträgt. Es kommt also nicht auf die Mindeststudiendauer an, sondern auf die durchschnittliche Studiendauer des konkreten Studiums.

Auch während des Studiums hat ein Student aber eben nur dann (weiter) Anspruch auf Unterhalt, wenn er das Studium gewissenhaft betreibt. Nach ständiger Rechtsprechung studiert ein Kind in der Regel dann zielstrebig, wenn die durchschnittliche Gesamtstudiendauer nicht überschritten wird. Die durchschnittliche Gesamtdauer der betreffenden Studienrichtung bildet somit die Grenze für eine unzumutbare Belastung des Unterhaltspflichtigen.

Für den Bachelor in Wirtschaftsrecht sind 180 ECTS Punkte zu absolvieren, wobei die Wirtschaftsuniversität sechs Semester als Mindeststudiendauer vorsieht. Die durchschnittliche Studiendauer ist aber selbstverständlich länger als sechs Semester, nämlich etwa acht Semester. Um das Wirtschaftsrechtsstudium daher in acht Semestern abschließen zu können, müssten pro Semester etwa 22,5 ECTS Punkte absolviert werden, in 6 Semestern sohin etwa 135 ECTS Punkte.

Auch im Sommersemester 2020 wurden an der Wirtschaftsuniversität grundsätzlich Prüfungen abgehalten, sodass es möglich war, auch in diesem Semester entsprechende ECTS Punkte zu erreichen. Ist es Ihnen nun gelungen, in sechs Semestern etwa 135 ECTS Punkte zu absolvieren, so würde ein Gericht ein zielstrebiges Studium annehmen und Ihr Vater ist weiter unterhaltspflichtig.

Die Maßnahmen zur Corona-Bekämpfung alleine werden keine Rechtfertigung sein, im letzten Semester gar keine Prüfungen gemacht zu haben. Sind Sie daher weit von 135 ECTS Punkten entfernt, so würde ein zielstrebiger Studienerfolg wohl verneint werden und die Unterhaltspflicht Ihres Vaters würde entfallen. Auf die tatsächlich erreichten ECTS Punkte in einem Semester kommt es nicht an. Auch wenn Sie daher in einzelnen Semestern gar keine ECTS Punkte erreicht haben, in den anderen Semestern aber entsprechend mehr, besteht Ihr Unterhaltsanspruch weiter.

rechtpraktisch@kurier.at

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