Johannas Fest: Weihnachtsmotto "Teilen und Beisammensein"

Der kulinarische Genuss tritt zugunsten der sozialen Intervention weitgehend in den Hintergrund.
Johanna Zugmann

Johanna Zugmann

Weihnachten ist überladen mit Klischees vom festlich geschmückten Tannenbaum, fröhlichen Liedern, haubenreifen Menüs, Keksduft und Kindern, die man nach der Bescherung unter den Bergen von Geschenkpapier kaum mehr findet.

Was man von Jahr zu Jahr gerne verdrängt, ist der mit der Erfüllung dieser Vorstellungen verbundene Aufwand, der schon zum einen oder anderen Nervenzusammenbruch geführt hat. So schön Traditionen auch sind, darauf dass vor lauter Koch-, Schenk- und Deko-Ehrgeiz der Haussegen in Schieflage gerät, kann man verzichten.

Weihnachtsmotto

„Soziales Konzept statt kulinarischem Rezept“, so lautet das Leitmotiv der holländischen Eat-Designerin Marije Vogelzang. Sie gestaltet innovative Formen des Essens und der Gastlichkeit. Kommunikation und das traditionelle Gastlichkeit-Motiv des Teilens sind ihr dabei ein besonderes Anliegen.

2005 richtete sie eine viel beachtete Weihnachtsfeier aus, die sie ursprünglich gar nicht machen wollte, da ihr Weihnachten per se zu überladen erschien. Erst als sie für sich erkannte, dass in diesem Fest mehr steckt als nur Weihnachtsdekoration und Truthahn, stimmte sie zu. Dabei hielt sich Vogelzang an das religiöse Weihnachtsmotto „Teilen und Beisammensein“. In der Folge ging das Event unter dem Titel „Sharing Dinner“ durch die Medien. Sie ließ einfache Speisen, wie etwa Prosciutto mit Melone servieren. Der Clou: Ein Gedeck hatte zum Beispiel nur Prosciutto auf den beiden Tellerhälften, das des Vis-a-vis nur Melone. Erst durch den sozialen Akt des Teilens und Tauschens wurden die einzelnen Zutaten zum Mahl. Das sorgte auf Anhieb für angeregte Kommunikation unter den Festgästen.

Die Absolventin der Designakademie Eindhoven entwirft immer wieder neue Esschoreografien. Die zweifache Mutter inszeniert Gastlichkeit als sozialen Kommunikationsprozess. Gäste werden zu Akteurinnen und Akteuren gemacht und mit Themen konfrontiert, die zumindest kommunikativen Handlungsbedarf erzeugen. Der kulinarische Genuss tritt zugunsten der sozialen Intervention weitgehend in den Hintergrund. Essen wird als Mittel zum sozialen Zweck eingesetzt.

In ihrem Dezember-Newsletter empfiehlt Vogelzang den Heiligen Abend subversiv anzugehen. Warum nicht alle Regeln brechen, und das Weihnachtsmenü mit dem Dessert beginnen?

Als Langeweile-Prophylaxe setzt die Designerin auf die Einbindung der Gäste: Manche kochen gerne mit, andere helfen beim Servieren oder bringen einen musikalischen Beitrag.

Im Tipp „Presence over presents“ rät sie, sich auf die Essenz des Festes, nämlich die menschliche Verbindung zu konzentrieren, etwa indem man Zeit und Aufmerksamkeit schenkt. Was wohl der wahre Luxus in unserer Zeit ist.

Was Vogelzang für unverzichtbar hält, ist eine fremde Person einzuladen. Und zwar nicht bloß aus Gutmensch-Motiven, sondern weil es zu einer der größten Freuden im Leben gereichen könnte, mit einem bislang Unbekannten zu feiern und neue Perspektiven – im wahrsten Sinne des Begriffs „über den Tellerrand“ zu erfahren.

Um jemanden zu finden, der eine solche Spontaneinladung zum Heiligen Abend gerne annimmt, braucht man in unserer versingelten Gesellschaft wohl nicht lange zu suchen.

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