Johannas Fest: Was Freunde verunsichert

"Wer Anlass-Einladungen wiederholt, weckt bei seinen Gästen eine Erwartungshaltung", schreibt Gastrosophin Zugmann.
Johanna Zugmann

Johanna Zugmann

Wer Anlass-Einladungen wie Heringsschmaus, Frühjahrsdinner, Martinigansl-Essen oder im Advent Punsch und Maroni zwei bis dreimal hintereinander wiederholt, weckt bei seinen Gästen eine Erwartungshaltung. Das Angenehme wird rasch als Tradition gewertet. Wird sie ausgesetzt, besteht Erklärungsbedarf, will man wilden Spekulationen oder für die Freundschaft kontraproduktiven Zweifeln vorbeugen.

– Eva und Imre laden uns jedes Jahr zum Martinigansl-Essen ins Burgenland ein. Mit viel Bedacht suchen die beiden immer neue Lokale aus. Über die kleine Gästerunde braucht das Paar nicht nachzudenken: Es sind stets dieselben zehn Freunde, die in den Genuss pannonischer Tafelfreuden und des Identität versichernden Zusammengehörigkeitsgefühls kommen. Ein herzerwärmender Fixpunkt, auf den man sich verlassen kann wie auf eine Schweizer Präzisionsuhr.

– Für eine andere Tradition sorgte Michael: Seine wunderschöne, stimmungsvolle Altbauwohnung war jahrelang Austragungsort einer ganz besonderen Vorweihnachtsfeier. Gemeinsam mit seinem Partner Gregor bat er bis zu sechzig Freunde zum Engele-Bengele-Fest. Bei dieser Einladung sind die Gäste aufgefordert, ein Geschenk, das nicht mehr als fünfzehn Euro kosten darf, das man selbst gerne hätte und liebevollst verpackt hat, mitzubringen. Alle Geladenen durften sich dann selbst eine der Gaben nehmen und strahlten beim Auspacken wie Kinder. Warum Michael und Gregor diese schöne Tradition nicht mehr hochhalten? Sie haben sich getrennt. Michaels neuer Partner will nicht fortsetzen, was so fix mit seinem Vorgänger assoziiert wurde.

– Eine der unter Journalisten und Führungskräften beliebtesten Einladungen kam alljährlich vom wohl bekanntesten Kommunikationsprofi des Landes. Er bat zum Krampuskränzchen. Das Fest wurde zur Institution, eine Prestigeveranstaltung, die viele Jahre lang gut ging. Bis dem Berater ein stark illuminierter Kabarettist auf der Bühne mit einer absolut unpassenden Performance, die nach kurzem Auftritt jäh abgebrochen wurde, einen Strich durch das Ritual machte. Aus war es für immer mit den Krampusfesten. „Jammerschade!“, wie alle Stammgäste meinten.

Aber immerhin wusste jeder von dem Ende mit Schrecken, war er doch dabei.

Traditionen beenden

– Anders als etwa die engeren Freunde von Barbara und Thomas, die mehrere Jahre hindurch an einem Abend im Advent zu Punsch und Maroni eingeladen waren. Als 2018 die kunstvoll gestaltete Post zu dem ebenfalls schon als Ritual empfundenen Zusammentreffen in dem urgemütlichen Biedermeier-Vorstadthaus ausblieb, häuften sich die Anfragen bei dem Paar: „Bin ich in Ungnade gefallen?“, „Haben wir Euch beleidigt?“ oder

„Ist Franz als Neo-Selbstständiger nicht mehr so wichtig wie noch vergangenes Jahr als Marketingverantwortlicher einer großen Versicherung?“

Der Grund für das einmalige Auslassen der lieb gewonnen Tradition lag in einer Erkrankungswelle, die die Familie heimsuchte.

– Dabei waren diejenigen, die sich direkt erkundigten, noch ein Glücksfall. Zur Eintrübung freundschaftlicher Bande kann folgende Fragetechnik führen: Freund A fragt Freund B, wie es denn heuer bei Barbara und Thomas gewesen sei. Er (der investigativ forschende Freund A) selbst hätte nämlich wegen einer Auslandsreise diesmal leider nicht kommen können. Seither grübelt Freund B, warum er von der Gästeliste gestrichen wurde.

– Das ist wirklich böse!

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