Johannas Fest: Vorgesättigt zur Einladung gehen

Die Vorsättigungsmethode ist bei routinierten Partytigern und Society-Löwen übrigens Standard.
Johanna Zugmann

Johanna Zugmann

Auf die richtige Dosis kommt es an: Es gibt Gastgeber, die die Teller überladen und solche, die sich an das Tante-Jolesch-Prinzip – gut ist, wovon es zu wenig gibt – halten. Madeleine und Klaus etwa. Eine Einladung der beiden, Tage mit ihnen am Land zu verbringen, ist als Auszeichnung zu werten, da das Paar in seiner Freizeit gesellschaftlich eher asketisch lebt. Nicht asketisch, aber kalorienarm und wohldosiert ist, was auf die Teller kommt: etwas Schafkäse mit Schnittlauch und Tomaten, eine Forelle mit zwei kleinen Erdäpfeln und grünem Salat und als Dessert zwei Stück Zuckermelone. Da bleiben wir doch etwas hungrig. Wenn wir im Zweitwohnsitz des Paares übernachten, wenden wir eine von drei Strategien gegen knurrende Mägen an:

– Die Eichhörnchenmethode: Wir nehmen olfaktorisch unauffälligen, keine Flecken produzierenden Proviant wie Knäckebrot und Hartwürste mit, die wir dann heimlich nach dem Abendessen auf unserem Zimmer verzehren.

– Die Umkehrstrategie: Wir laden die Gastgeber in eines der wenigen Restaurants in der weiteren Umgebung (in der näheren gibt es gar kein Gasthaus) ein, wo dann alle so viel oder so wenig bestellen, wie sie wollen.

– Die Hunger-Prophylaxe: Wir gehen vor der Ankunft essen und konsumieren dabei gerade so viel, dass wir noch Appetit auf die Forelle haben, aber nicht mehr gierig die Schüsselchen mit Oliven, Crackers und Nüsschen leer fegen.

Galas mit Diäteffekt

Die Vorsättigungsmethode ist bei routinierten Partytigern und Society-Löwen übrigens Standard. Sie empfiehlt sich ganz besonders, wenn in Einladungen nicht genau definiert ist, ob es was zu essen gibt und wenn man erstmals zu neuen Gastgebern kommt.

Zu einem regelrechten Debakel geriet vor ein paar Jahren die Party nach der Verleihung des wichtigsten Theater-Preises des Landes. Schon die Auswahl der Event-Location erwies sich als fataler Fehlgriff: Das Ringstraßenhotel, in dem gefeiert werden sollte, war viel zu klein für den Gästeandrang. Die Securitykräfte an den beiden Eingängen schafften einen Stau wie zuletzt die Kärntner Grenzkontrollen, die das Wort „lückenlos“ wörtlich nahmen. Kopfschütteln war die harmloseste Reaktion unter den Hunderten Gästen, die eine mehrstündige Award-Verleihungs- zeremonie hinter sich hatten und in der Novemberkälte auf der Straße Schlange standen. Im Hotel folgten noch weitere Festreden. Hinter roten Kordeln abgesperrt und von Security-Kräften bewacht, als handelte es sich um die Bundeslade, avancierten wenige, winzige Häppchen Fingerfood an Spießen oder in Stamperlgläsern zu Objekten der Begierde, ja zu regelrechten „must haves“. Immer mehr hungrige Galagäste versuchten sich in Kordelnähe in Poleposition zu bringen. Als nach einer kleinen Ewigkeit die Karabiner geöffnet und die roten Taue abgehängt wurden, kam es fast zu tumultartigen Drängereien. Wer seine Würde bewahren wollte, verzichtete gleich auf die Schlacht ums Essen. Die ganz Schamlosen hingegen blieben an dem einmal erreichten Platz vor dem Buffet so lange stehen, bis sie alles Greifbare leer geräumt hatten. Ein erbärmliches Schauspiel, bei dem selbst die besten Bühnenkünstler Gefahr liefen, aus ihren Glanzrollen zu fallen!

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