Johannas Fest: Vergessliche Gastgeber

Dass manche Gäste einmal eine Einladung verschwitzen, kann vorkommen. Die Gründe dafür sind mannigfaltig.
Johanna Zugmann

Johanna Zugmann

Am häufigsten tritt dieses Malheur dann ein, wenn Gastgeber schon vor langer Zeit zum fröhlichen Beisammensein bei einer gemeinsamen Mahlzeit gebeten haben. Das Risiko, dass Gäste so einen erfreulichen Termin vergessen, ist auch dann hoch, wenn sie die Einladung während einer Autofahrt erreicht hat; oder wenn sie gerade mitten in beschwerlichen Arbeiten, wie zum Beispiel der Vorbereitung der Steuererklärung, gesteckt sind. Wer auf „Nummer sicher“ setzt, sollte unbedingt ein oder zwei Wochen vor der geplanten Zusammenkunft eine Erinnerung aussenden, oder zumindest nachtelefonieren, um leer bleibenden Plätzen am Esstisch vorzubeugen.

Bleiben Gäste aus, auf die sich Gastgeber schon riesig gefreut haben, ist das schade und enttäuschend. In diesem Fall empfiehlt es sich, rasch und unauffällig zwei Gedecke und Sessel von der Tafel zu entfernen und den Anwesenden die ganze Empathie entgegenzubringen.

Improvisationskunst

Schlimmer ist schon, wenn das Gedächtnis von Gastgebern auslässt. Unlängst standen wir mit einem großen Blumenstrauß und einer Flasche Sprudel vor der Gartentüre von Irene und Hans.

Als nach mehrmaligem Läuten niemand aufmachte, überlegten wir, ob wir am falschen Tag am falschen Ort waren. Sicherheitshalber riefen wir an. Hans, der eine kleine Manufaktur betreibt, klang etwas verschlafen. „Oh mein Gott, wie konnten wir das nur vergessen!“, entfuhr es dem Fünfzigjährigen beim jähen Erwachen. „Bitte gebt mir ein paar Minuten“, bat er flehentlich. „Ja klar!“, erwiderten wir schmunzelnd und waren gespannt auf den weiteren Verlauf des Abends. Irene war gar nicht zu Hause, sondern mit einer Freundin im Theater.

Der Vater zweier zurzeit im Ausland studierender Söhne öffnete endlich die Türe und bat uns herein. Sein Laptop hatte vor zwei Wochen einen Systemabsturz gehabt und seither navigiere er gleichsam im Nebel, erklärte er.

Wir wollten unsere Gastgeschenke übergeben, beteuerten, dass es gar kein Problem sei und so etwas ja jedem einmal passieren könne. Unser Angebot, ein andermal wieder zu kommen, oder gemeinsam in ein nahe gelegenes Lokal zu gehen, lehnte Hans entschieden ab. Er erwies sich als geschickter Improvisator, holte eine Bouteille edlen Châteauneuf du Pape aus dem Keller, schnitt Baguette und Käse auf und ehe er sich weiter in Entschuldigungen ergoss, versuchten wir seine Selbst-Geißelung abzubrechen: „Ist uns auch schon einmal passiert“, gestanden wir ein.

Zwischen Tür und Angel hatte ich vor ein paar Jahren ganz spontan eine eben gemachte Zugsbekanntschaft zu uns zum Grillen geladen – und prompt vergessen. Das war nicht weiter tragisch, da wir an diesem Abend ohnehin Gäste hatten und es genug zu essen und zu trinken gab. Es wurde übrigens eine der lustigsten Tafelrunden überhaupt; unter anderem deshalb, weil auch mein Mann sozusagen „en passant“ auf der Straße einen weiteren Gast zu uns gebeten und ebenfalls vergessen hatte.

Das gastgeberische „No-Go“ fand ein mehr als glückliches Ende: Die beiden Singles, eine Lektorin und ein Theater-Regisseur, verstanden sich so gut, dass sie ein Jahr später heirateten. – Hätten sie uns das Missgeschick nachgetragen, wären wir wohl kaum ihre Trauzeugen geworden!

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