Johannas Fest: Lasst die Gäste arbeiten!

Tatsächlich überlege ich mir immer sehr gut, wer mit wem Spaß haben könnte, schreibt Gastrosophin Johanna Zugmann.
Johanna Zugmann

Johanna Zugmann

Karin ist eine wunderbare Gastgeberin und ein hochgeschätzter Gast. Sie liebt gutes Essen, trinkt gerne edle Rebensäfte, ist gewandt in Konversation und bringt ihren Tischnachbarn höchstes Interesse entgegen. Vor Jahrzehnten habe ich mit ihr bei einer österreichischen Qualitätstageszeitung zusammengearbeitet. Dann ging sie erst nach New York, später nach Brüssel. Die Jahre dort kommen den Gästen der inzwischen wieder in Österreich lebenden Kulturmanagerin kulinarisch zugute: Sie bäckt ihre eigenen Baguettes, hat sieben verschiedene Quiches im Repertoire, die Pommes Frittes sind hausgemacht (comme il faut) und in ihr Boeuf Bourguignon könnte man sich eingraben.

In ihrem Zweitwohnsitz, einem Jahrhunderte alten Bauernhof, wird je nach Wetterlage, Laune und Gästeanzahl getafelt: auf der riesigen, kunstvoll im römischen Verbund verlegten Terrasse, in der gemütlichen Stube mit dem alten Kamin, oder in der lauschigen „Blauen Grotte“, einem mit diversen Dachbodenfundstücken stilvoll dekorierten Salettl.

Während wir das einzigartige Ambiente loben und die dargebotenen kulinarischen Genüsse würdigen, uns für die sorgsam vom frankophilen Ehemann kuratierte Weinbegleitung bedanken, spielt Karin die Bälle zurück: „Du bist ja auch so eine begnadete Köchin. Und du hast ja so ein Händchen für die Zusammensetzung der Gäste!“, lobt Karin. – Dieses Kompliment lasse ich gelten, denn tatsächlich überlege ich immer sehr gut, wer mit wem Spaß haben könnte, und das Placement ist mir genauso wichtig, wie die Entscheidung, was auf die Teller kommt.

„Aber was ich an euch am meisten liebe, ist eure Gelassenheit“, setzt Karin nach. „Wie meinst du das?“, erwidere ich, blanken Zynismus witternd. Was sich nämlich zwischen meinem Göttergatten und mir regelmäßig in der letzten Stunde vor dem Eintreffen der Gäste abspielt, gleicht eher Dantes Inferno als der Harmonie nach einer meditativen Ohmmm-Runde.

„Nichts, aber auch gar nichts ist fertig, wenn die Gäste kommen, aber ihr seid völlig entspannt“, expliziert die polyglotte Oberösterreicherin.

Zukunftstrend „Partizipation“Statt darüber zu diskutieren, dass meist schon der Tisch gedeckt ist, das Fleisch im Rohr brutzelt und die Weine gekühlt sind, verkaufe ich unser suboptimales Time-Management als Tugend. Ich zitiere den Gastrosophie-Professor und Autor zahlreicher Kulinarik-Bücher Peter Peter, der mir für meine Master Thesis (Titel: „Die neuen Mahlverwandtschaften“) einen der wichtigsten Zukunftstrends verraten hat, nämlich die Partizipation der Geladenen: „Immer öfter wollen Gäste mitschnipseln und ihren Teil am Mahl einbringen, statt bei Silberbesteck zu sitzen und auf das Essen zu warten. Wer geschickt ist, hat noch nicht alles fertig, wenn die Eingeladenen kommen, und lässt ihnen noch die Möglichkeit, selbst Hand anzulegen. Etwa verbunden mit der Auszeichnung: ,Du kriegst das schärfste Messer’“.

– Das hat gesessen. Seither übt sich auch Karin im Antizipieren der Zukunft und schickt mich regelmäßig in ihren Bauerngarten Kräuter pflücken, oder stellt mir ihre Riesenauswahl an feinsten Ölen und gereiften Balsamessigen vor die Nase mit dem Auftrag, die Salatmarinade zu fertigen. Und ist bei der Delegation dieser höchst verantwortungsvollen Aufgabe völlig entspannt.

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