Johannas Fest: Für das Glück der Gäste sorgen

Eine Vorstellungsrunde erspart mir, dass alle paar Minuten wer in der Küche auftaucht und ein "Who’s who?" begehrt, schreibt Gastrosophin Johanna Zugmann.
Johanna Zugmann

Johanna Zugmann

Gastliche Begegnungen erfolgen in der Regel auf dem Prinzip Freiwilligkeit.

Gäste, die eine Einladung im privaten Rahmen annehmen, vertrauen darauf, dass der Gastgeber ihnen Gutes tun will – auf kulinarischer ebenso wie auf atmosphärischer und gesellschaftlicher Ebene.

Private Gastgeber umgekehrt vertrauen darauf, dass diejenigen, die zusagen, auch tatsächlich erscheinen werden, und dass sie weder das Mobiliar noch die Stimmung zerstören, um nur die banalsten Risiken zu nennen.

Wenn ich eine größere Runde eingeladen habe und es sich nicht um ein Maturakränzchen handelt, bei dem einander sämtliche Beteiligten ohnehin kennen, bitte ich die Gäste einen Kreis zu bilden, sodass alle einander sehen können. Es ist dabei immer wieder amüsant zu sehen, wie Einzelne versuchen, sich in der zweiten Reihe zu verstecken.

Fürchten Sie, dass jetzt irgendwelche „Eso-Spielchen“ à la „Wir reichen einander die Hände und lassen die Energie fließen“ folgen? Die Sorge ist unberechtigt. Ich führe nichts Peinliches im Schilde, sondern eine Vorstellungsrunde. Dabei halte ich mich an die Devise des französischen Feinschmeckers und Gastrosophen Jean Anthelme Brillat-Savarin:

„Jemanden zu Gast laden, heißt für sein Glück sorgen, solange er unter unserem Dache weilt“, formulierte er in seinem Werk „Physiologie des Geschmacks oder Betrachtungen über das höhere Tafelvergnügen“ (1826).

Begrüßung der EhrengästeVoraussetzung für Wohlgefühl ist der Eindruck, willkommen zu sein und mit Respekt und Achtsamkeit behandelt zu werden. Deshalb ersuche ich bei jeder Einladung kurz um Aufmerksamkeit, um die Ehrengäste zu begrüßen.

Nur die Ehrengäste.

Klar, dass dabei alle drankommen! Wobei ich nicht nach dem Schema, Titel, Name, Beruf vorgehe, sondern Kurioses, Verblüffendes, Amüsantes preisgebe. Über Georg, den Atomphysiker, der aber Atomkraftwerksgegner ist, über Werner, der während seiner Auslandsaufenthalte als Topmanager in den härtesten Ostblock-Destinationen zum profunden Kenner der Mafia-Methoden wurde, über Conni, den Topmanager, der jedes Jahr zum Hornussen nach Solothurn fährt (Anmerkung: „Hornussen“ ist eine Schweizer Mannschaftssportart, die hauptsächlich in den Mittellandkantonen betrieben wird) und über Gabi, die Headhunterin, die nicht nur die idealen Kandidaten für Schlüsselpositionen findet, sondern auch schon so manche Ehe gekuppelt hat.

Diese Vorstellungsrunde erspart mir, dass alle paar Minuten wer in der Küche auftaucht und ein „Who’s who?“ begehrt. Außerdem weiß jetzt jeder, dass hier nur VIPs versammelt sind, weil nämlich alle meine Gäste Ehrengäste sind.

Überdies haben auch diejenigen, die keine Meister des „Small Talks“ sind, genügend Stoff für angeregte Konversationen und verkümmern sicher nicht als Mauerblümchen.

Das soziale Motiv des Teilens spielte übrigens im Zusammenhang mit der Gastfreundschaft bereits in der griechischen Antike eine zentrale Rolle. So lautete im Altgriechischen das Wort für Mahl: „Teilung“.

Wer außer Speis und Trank auch seine Freunde teilt, bietet zum kulinarischen Nährwert kostbaren sozialen Mehrwert.

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