Johannas Fest: Bühne frei für die Gäste!

Einladungen in die privaten Refugien sind die höchsten Ehrerweisungen, schreibt Autorin und Gastrosophin Johanna Zugmann.
Johanna Zugmann

Johanna Zugmann

Kochsendungen boomen auf allen TV-Kanälen, und im Gegensatz zum allgemein sinkenden Umsatz auf dem Büchermarkt steigt jener im Kulinarik-Bereich seit Jahren stetig an. Auch die Hersteller von Hightech-Küchen um fünfstellige Eurobeträge finden immer mehr Abnehmer. Als Auslaufmodell gelten hingegen die gemeinsamen Mahlzeiten mit Familie und Essens-Einladungen in die privaten vier Wände.

Das hat viele Gründe, unter anderen:

– die klassische Rollenverteilung (die Frau daheim am Herd, während der Mann die Brötchen verdient) ist Geschichte;

– der kochende Mann ist noch immer ein Upperclass-Phänomen;

– die traditionelle Freizeitgestaltung ist aufgebrochen durch Kurzurlaubsreisen oder sportliche Bergtouren. So bleibt die Küche kalt und sauber und man hat etwas für die Figur getan.

Aber was ist schöner, als mit Freunden an einem Tisch zu sitzen und sich an gutem Essen und beflügelnden Weinen zu erfreuen?

Mein Mann und ich, wir sind Wiederholungstäter: Immer wieder laden wir uns Gäste ein. Immer wieder genießen wir den Moment, wenn nach Tagen der Vorbereitung und des Kochens die Tische gedeckt und die Kerzen angezündet sind, die Sektflöten bereitstehen auf dem Silbertablett und sich der Duft des Bratens aus dem Rohr verbreitet.

Das Läuten der Glocke und das Eintrudeln der ersten Gäste hat etwas Feierliches. Es erinnert an das Klingeln, das in der Kindheit die weihnachtliche Bescherung angekündigt hat.

Menschliche WärmeWenn sich nach und nach die Räume füllen, die Konversation zwischen den Geladenen in die Gänge kommt und lautes Lachen bis in die Küche zu hören ist, ist das ein Seelen-Spa, ein Gefühl, das uns Facebook und andere Social-Media-Kanäle vorenthalten. Dort haben wir Hunderte Freunde, das ersetzt jedoch keine reellen Räume und keine wirklichen Menschen. „Das Internet täuscht Wärme vor, aber wir müssen einander wieder spüren, wir brauchen einander physisch“, brachte es Österreichs Star-Architekt Gregor Eichinger, der allein in Wien 17 Lokale gebaut hat, in einem Interview zum Thema Gastlichkeit auf den Punkt.

Einladungen in die privaten Refugien sind die höchsten Ehrerweisungen. Schließlich geben die Gastgeber mit der Öffnung ihrer Wohnung preis, welche Bücher sie lesen, welche Kunst sie lieben und ob ihr Herz auch für Kitsch tickt.

Private Gastlichkeit hat aber nicht nur mit Hedonismus, sondern auch viel mit Disziplin zu tun. Allem voran muss man einmal zusammenräumen. Denn Hand aufs Herz: Wo bleiben im Zeitalter der fließenden Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit, zwischen Büro und Zuhause die Esstische frei von Papier, von Akten, die endlich einmal erledigt werden müssen, und Büchern, die man schon längst einmal lesen wollte?

Hinzu vereiteln Versagensängste Privateinladungen: Fast- und Convenience-Food, der Trend zum Auswärtsessen und zum Lieferservice haben nicht gerade zur Steigerung individueller Kochkünste geführt.

Früher konnte die bürgerliche Schicht vielleicht auch nicht kochen, hatte aber Personal. Die wichtigste Ingredienz einer gelungenen Privateinladung ist aber die sorgfältige Überlegung, wer mit wem Spaß haben könnte. Die Gäste stehen schließlich im Mittelpunkt und sind die Hauptdarsteller, der Einladungsort wird zu ihrer Bühne. Entscheidend ist, dass es gemütlich ist und sich alle wohl fühlen!

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