Johannas Fest: Gästebuch? Das Schlimmste kommt zum Schluss

Schauspieler Peter Simonischek zeigte mit seinem Eintrag, dass an ihm auch ein Dichter verloren gegangen ist: "Speis und Trank waren gut, jetzt nehmen wir den Hut."
Johanna Zugmann

Johanna Zugmann

Es war ein glanzvoller Abend in blumengeschmücktem Ambiente. Das Essen war erlesen: gelbe Zucchini-Suppe mit Wassermelone, dreierlei vom Mufflon und zum Abschluss eine mit Brombeeren gefüllte Pavlova, alles hausgemacht, versteht sich. Der Hausherr zeigte seine Wertschätzung für die geladenen Gäste unter anderem durch das Kredenzen edelster Rebsäfte. Und das Wichtigste: Die Gästeschar hätte nicht besser zusammengesetzt sein können.

Nicht nur, was die Einladungsliste betrifft, sondern auch das Placement. Jawohl, es gab eine Tischordnung. Und das ist gut so. Denn die Gastgeber haben viel Mühe darauf verwendet, die Leute so zusammenzusetzen, dass niemandem auch nur eine Sekunde fad werden konnte.

Schon der antike Schriftsteller Plutarch (40 bis 120 n. Chr.) befasste sich mit der Frage der Sitzordnung bei Gastmählern. In seiner Gesellschaftslehre „Moralia“ befand er, dass es lächerlich wäre, die Geladenen „aufs Geratewohl, wie es sich eben trifft“, setzen zu lassen.

Die Gespräche waren angeregt, die Stimmung total entspannt und dementsprechend spät war es auch geworden, als sich die ersten Gäste zur Verabschiedung aufmachten. Doch vor der Eingangstüre wartete Süßes und Saures auf sie. Das Süße: Alle bekamen ein kleines Glas hübsch verpackte, hausgemachte Marillenmarmelade mit auf den Weg. Der führte allerdings an einem Schreckgespenst vorbei, vor dem sich selbst jene fürchten, zu deren Berufsalltag das Schreiben gehört: das Gästebuch. „Niemand verlässt die Wohnung, ohne sich darin verewigt zu haben“, postulierte die sonst so charmante Gastgeberin in einem fast militärischen Befehlston und verriegelte die Eingangstüre, um auch den leisesten Zweifel zu zerstreuen, dass es sich bei der Forderung um eine „conditio sine qua non“ (eine Bedingung ohne die nicht) mit einer Wiedereinladung zu rechnen sei.

„Mach du“ raunten die meisten Herren ihren Partnerinnen zu. Topmanager wiederum schritten beherzt zur Tat und notierten zumindest ein „Vielen Dank für den wunderbaren Abend!“, um die Sache schnell aus der Welt zu schaffen.

Eine trotz fortgeschrittenen Alters ebenso durchtrainierte wie erotische Spitzenbankerin zückte Handspiegel und Lippenstift, malte ihren Mund aus und drückte ein knallrotes Küsschen auf das Büttenpapier. Der Schauspiel-Star Peter Simonischek zeigte mit seinem Eintrag, dass an ihm auch ein Dichter verloren gegangen ist: „Speis und Trank waren gut, jetzt nehmen wir den Hut.“ Zugegeben, das Risiko, spätabends solcher Art zu verbaler Kreativität genötigt zu werden, hält sich in Grenzen, da Gästebücher ebenso wie Privateinladungen Auslaufmodelle sind.

Aber das Risiko birgt auch eine Chance. Wer es einkalkuliert und sich darauf vorbereitet, hat nochmals Gelegenheit, sich als „guest of first choice“ zu profilieren: Etwa indem man schon vorher darüber nachdenkt, was die Gastgeber und ihre Einladungen so einzigartig macht und dazu ein, zwei Sätze formuliert, oder aber passende Zitate aus der Literatur sucht. Letztendlich steht es den Gastgebern wohl auch zu, dass ihnen nach einem Abend, für den sie weder Kosten noch Mühen gescheut haben, mehr bleibt als das dreckige Geschirr.

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