Johannas Fest: Drinnen oder draußen?

"Zweckoptimisten, zu denen auch ich zähle, deckten mutig im Garten auf", schreibt Gastrosophin Johanna Zugmann.
Johanna Zugmann

Johanna Zugmann

Nach der langen Hitzewelle mit regelmäßig mehr als dreißig Grad Celsius hatte es die vergangene Woche in sich. Für Gastgeber stellte sich die Frage „Hält das Wetter? Decke ich drinnen oder draußen?“ – Zweckoptimisten, zu denen auch ich zähle, deckten mutig im Garten auf. Schließlich ist Sommer! Und schließlich können sich ja auch die Wettervorhersagen ein Mal irren. Doch statt nur auf Glück zu setzen, sollte man in solchen Situationen doch einen „Plan B“ haben. Der beginnt übrigens schon beim Einkauf, denn Käsekrainer und Spareribs schmecken am Besten im Freien.

Der Griller ist schon angeworfen, die Gäste sind eingetrudelt. Als Aperitif gibt’s „La Vie en rose“, ein Longdrink aus Lillet, Fentimans Rose Lemonade und einem Schuss Rosensirup. Der Name des Cocktails ist Programm, die Stimmung heiter, die Unterhaltung angeregt. Am Himmel brauen sich plötzlich Wolken zusammen. „Sind ja nur ein paar Tropfen“, kommentiert ein Gast das zart einsetzende Nieseln und plädiert dafür abzuwarten. Eine Minute später kommt es so richtig heftig. Starkregen prasselt auf die Tischgesellschaft nieder. Alle schnappen, was sie tragen können, im Nu ist der Tisch leer, die Tafel in die Wohnküche verlagert. Statt am Grill landet der marinierte Hummer im Backrohr. Draußen beginnt es zu blitzen und zu donnern. Dazu setzt plötzlich Trommelwirbel ein, als wäre der berühmte Ausnahme-Multiperkussionist Martin Grubinger am Werk. Hagelkörner, etwas kleiner als Tischtennisbälle, prasseln minutenlang gegen die Fenster. Ein eindrucksvolles Naturschauspiel, wenn man im Trockenen sitzt!

Herta, Hagel und der Hummer

Unvorsichtigerweise öffne ich die Türe der Küche zum abschüssigen Hof. Eine Mini-Tsunami-artige Welle aus Wassermassen und Hagelkörnern schwappt herein, durchflutet die Bodenbeleuchtung und verursacht im Handumdrehen einen das ganze Erdgeschoss umfassenden Kurzschluss. Zappenduster ist es draußen wie drinnen.

Jetzt herrscht Handlungsbedarf. Mein Mann läuft in den ersten Stock, wo die Elektrizität noch heil ist, holt ein überlanges Verlängerungskabel und rettet so die regionalen Raritäten in der prall gefüllten Tiefkühltruhe. Ein weiterer Gast widmet sich der Dokumentation des Naturschauspiels mittels Handyvideo. Dass unsere Freundin Herta nicht nur eine begnadete Köchin ist, sondern auch höchste Kompetenzen in Sachen Krisenfeuerwehr mitbringt, stellt sie an diesem Abend unter Beweis: Augenblicklich beginnt sie mit dem einzigen Werkzeug, das gerade greifbar ist, einer kleinen Mistschaufel nämlich, die Aufräumarbeiten. Ihr Mann hingegen legt stoische Gelassenheit an den Tag und führt sein geschäftliches Telefongespräch mit Übersee unbeirrt weiter.

Trotz „Flutwelle“ und temporärer Dunkelheit sind die Hummer letztendlich am Punkt gegart und die Tagliolini al limone al dente auf den Tellern gelandet.

Nach dem Dessert lassen wir die Geschehnisse Revue passieren und singen das Lied, das zum Erlebten passt: „Stell’ dir vor, es geht das Licht aus, sag’ was würdest du dann tun?“ Das sorgt nochmals für Heiterkeit und schafft Community.

So war der Abend zwar nicht geplant, aber er ist zumindest nicht ins Wasser gefallen. Und wie heißt es so schön: Premieren braucht das Leben!

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