Johannas Fest: Das Geburtstagsfest - ein Albtraum
Wir hatten alles penibel geplant: wer kommen sollte; wie viele wir einladen konnten, ohne gegen die aktuellen Empfehlungen (oder sind es doch Verordnungen?) für private Einladungen zu verstoßen; was wir auf den Menüplan setzen wollen und die Tischordnung für die Gäste. Diese entgegen unserer ursprünglichen Intention für das Nachgeburtstagsfest meines Mannes, nach der sich die zwölf Geladenen selbst am Buffet bedienen sollten und sich dort hätten niederlassen dürfen, wo gerade Platz war an den beiden gedeckten Tischen.
Nachdem wir in den vergangenen zwei Wochen ständig gehört haben, dass private Feiern weitaus gefährlicher sind, als Kino-, Theater- oder Opernbesuche, hielten wir uns an „Plan B“: genau festgelegte Essplätze mit Tischkärtchen. Ich rief unsere Gäste der Reihe nach an und stellte ihnen die auf den ersten Blick unverfängliche Frage, ob sie denn heuer Urlaub gemacht hätten und wenn ja wo. Im Plauderton stellte ich auch Erkundigungen nach deren jüngst praktiziertem Kulturleben und der Pflege ihrer Sozialkontakte an.
Rückkehrer vom Segelschiff in Kroatien wurden mit einem imaginären Persilschein versehen, wer sich in einem Club mit Animation und entsprechenden Gruppenspielchen oder gar -tänzen erholt hatte, wurde genauso aussortiert, wie Angehörige einer Risiko-Berufsgruppe und Eltern von Schulkindern.
Am Tag vor dem großen Abend machte ich einen Einkauf, bei dem ich mir selbst schon etwas blöd vorkam: Ich erwarb eines dieser berührungslosen digitalen Infrarot-Thermometer, mit denen sich fiebernde Gäste auf die Schnelle identifizieren lassen.
Uncharmanter Empfang
Dass das Stirnscreening keine herzliche Begrüßungsgeste ist, war mir klar. Aber ich wollte jedes Risiko so weit wie möglich reduzieren. Wie in der Gastronomie stellte ich zusätzlich ein Handdesinfektionsmittel an den Eingang und legte neben dem Gästebuch Masken auf. Nachdem alle Platz genommen hatten, begannen wir zu servieren: der erste Gang – auf besonderen Wunsch meines Mannes – „Austern“. Jeweils vier Fines de Claire und drei Gillardeau landeten auf den Tellern. Mit warmen Meeresfrüchten ging es weiter: Moules marinières (Miesmuscheln im Weißwein-Sud) mit Baguette und Sauce Aioli. Anschließend formierten wir uns in einem großen Halbkreis zum „Happy Birthday“ um das Klavier. Nach der zweiten Zeile des Liedes begann es so laut an der Türe zu hämmern, als wollte sie jemand einschlagen. „Aufmachen!“, brüllte eine männliche Stimme und unsere Hündin Amy hielt mit aufgeregtem Gebell der Eskalationsstufe III dagegen.
Ich öffnete, vier „Flex-Helfer“ stürmten auf die Festgesellschaft zu. Einer zückte die Handykamera, um die Abstände zwischen den Gästen zu dokumentieren. Ein anderer verlangte von mir die Registrierungsliste. Ein dritter verfasste den Katalog an Verfehlungen: zu wenig Abstand, vier Personen zu viel für eine Veranstaltung im privaten Innenraum, Menschen fern des Essplatzes unmaskiert. „Alles raus!“, brüllte ein Polizist. Ein anderer stellte meinen Mann und mich vor die Wahl: 2000 Euro Strafe sofort in bar, oder mitkommen aufs Kommissariat.
Als die Handschellen klickten, erwachte ich schweißgebadet. Alles nur ein Albtraum! Die wirkliche Party stieg am Samstag; ganz genussvoll; mit selbstverantwortlichem körperlichen Abstand und spürbar großer menschlicher Nähe.
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