Johannas Fest: Darf man Gäste bitten, die Schuhe auszuziehen?

Für den Modemacher Jean Paul Gaultier ist das ein absolutes No-Go, schreibt Gastrosophin Johanna Zugmann.
Johanna Zugmann

Johanna Zugmann

Anna und Harald sind Genießer alten Schlages: Sie essen gerne, trinken gerne edle Rebsäfte – und das nicht stamperl-, sondern bouteillenweise – und sie gehören zu der aussterbenden Spezies leidenschaftlicher Zigarettenraucher. Noch vor ein paar Jahren hätten sie eine Einladung militanter Nichtraucher-Gastgeber gar nicht angenommen. Inzwischen haben sie sich zähneknirschend an den Kummer gewöhnt, dass es kaum mehr Haushalte mit Aschenbechern gibt und sie sich zum Frönen ihres Lasters je nach Verfügbarkeit in den Garten, den Klopfbalkon, ins Stiegenhaus oder gar auf die Straße begeben müssen.

Was die Anwältin und der Unternehmer aber partout nicht akzeptieren, ist die Aufforderung, die Schuhe auszuziehen. „Da drehe ich dann am Absatz um, denn einen ganzen Abend mit solchen Spießern zu verbringen, würde ich ohnehin nicht aushalten“, zeigt sich Anna, die nebst einer schönen Wiener Altbauwohnung auch ein Ferienhaus im Burgenland tadellos in Schuss hält, kompromisslos.

Pantoffelhelden

Befürworter der „Schuhe aus!“-Doktrin argumentieren mit „draußen ist draußen und bleibt draußen“ und stellen für drinnen Hausschuhe in allen möglichen Größen bereit. Schließlich ist der schneeweiße Hochflor-Teppich schon ohne importierten Gästedreck kaum sauber zu halten. Außerdem könnten die beschuhten Gäste für den Stubentiger lebensgefährliche Bakterien in das steril makellose Domizil hereintragen.

Für den Modemacher Jean Paul Gaultier ist das ein absolutes No-Go: „Bitten Sie Ihre Gäste nie, nie, nie ihre Schuhe auszuziehen! Sie sind Teil ihres Gesamtauftritts!“ – Tatsächlich kommt es einer Demütigung gleich, wenn die durchgestylte Prada, Miu Miu oder Paul Smith tragende Gästin ihre Jimmy-Choo-High-Heels gegen Schlapfen tauschen soll oder der Gast im maßgefertigten Knize-Anzug seine auf Hochglanz polierten Budapester vom Nobelschuhmacher Scheer unter Filzüberziehern verstecken muss und somit zum Pantoffelhelden mutiert.

Den Abend in Socken zu verbringen, kann ebenfalls verhängnisvoll sein. Etwa wenn man in der Eile zwei verschiedene Exemplare angezogen hat, oder gar eines mit Loch. Mein Freund Wolfgang würde übrigens aus einem ganz anderen Grund nie in Socken in einer fremden Wohnung herumspazieren. Beim Aufsuchen der Toilette könnten diese mit von Vornutzern, die ihr Geschäft im Stehen erledigen, hinterlassenen Tropfen kontaminiert werden.

Meine Gäste übrigens sollen ihre Schuhe unbedingt anbehalten. Das bisschen Straßenstaub hält mein Parkettboden mühelos aus und die Teppiche sind staubsaugertauglich. Hätte ich einen weißen Hochflorteppich, würde ich ihn auf Dauer der Einladung einfach wegräumen.

Im Übrigen halte ich es mit Einladungen in Wohnungen mit Schuhverbot wie Anna. Außer auf Wiens Straßen herrscht gerade die Sintflut in Form rußschwarzer Bäche, wie sie uns Tauwetter nach Tagen anhaltenden Schneefalls beschert.

Wer übrigens trotz Schuhverbot vom Scheitel bis zur Sohle gestylt bleiben möchte, sollte ein ungetragenes Zweitpaar mitbringen. Oder man führt wie Manfred, ein sehr stilbewusster Notar, die in London erstanden Velvet Slipper in Navy Blue aus. Mit diesen Hausschuhen ist man sicher Held unter den Pantoffelträgern!

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