Im Land des heiligen Spritzweins

"ÜberLeben": Alkoholpause und wie sie missverstanden wird - süchtig oder deppert?
Guido Tartarotti

Guido Tartarotti

Irgendwie ist das typisch für Österreich. Vor zwei Wochen schrieb ich hier an dieser Stelle, dass ich derzeit weder Alkohol trinke noch rauche. Und sofort kamen Mails, in denen mir sehr nette Menschen viel Glück und Kraft bei der „Suchtbewältigung“ und beim „Entzug“ wünschten.

In Österreich, dem Land des heiligen Spritzweins, gibt es nur zwei Erklärungen, warum jemand sich den Irrsinn antun sollte, dem Alkohol zu entsagen: Er ist süchtig und darf nicht mehr trinken. Oder er ist einfach deppert und weiß nicht, was Spaß macht.
Ich bin aber weder deppert, noch süchtig – und war auch nicht auf Entzug. Ich hatte einfach keine Lust mehr, zu trinken und zu rauchen, also ließ ich es bleiben. Mich interessierte, wie schwer mir das fallen würde, was es in meinem Körper bewirken, und ob ich die Mitmenschen anders sehen würde.

Nun, es fiel mir überhaupt nicht schwer, nicht ein einziges Mal kam ich an den Punkt, wo ich sagen musste: Ma, ein Bier und eine Tschick wären jetzt herrlich. Ehrlich: nie. Es machte mir im Gegenteil Spaß, Alkohol abzulehnen und dabei zu erleben, wie unerhört das für andere ist („Na wenigstens zum Anstoßen!“ – „Sei nicht so fad!“ – „Nur ein Glas...“ – Nein, ich will nicht.).

Körperlich, no na, profitierte ich sofort davon: Ich nahm ab, schlief besser, fühlte mich besser.

Wirklich interessant war die Beobachtung der Mitmenschen, etwa auf einer Party. Ab einem gewissen Punkt des Abends fiel mir auf, dass sie lauter wurden, Dinge drei Mal sagten und einander nicht mehr zuhörten. Dann, und das ist leider nicht zu ändern, ist eine sinnvolle Kommunikation zwischen einem Nüchternen und einem Betrunkenen nicht mehr möglich. Und ich dachte mir: Oh Gott, so bin ich auch gewesen.

Ich habe keine Ahnung, wie lange ich nicht rauchen und trinken werde. Vielleicht bis Weihnachten? Oder ein ganzes Jahr? Für immer sicher nicht. Zum hauptberuflichen Asketen fehlt mir dann doch das Talent.

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