Ein guter Tag beginnt mit einem Tschindern

Hähne haben in Innsbruck im Winter einen schweren Stand. Denn in dieser Zeit kräht kein Innsbrucker nach ihnen. Von November bis in den Frühling hinein erwacht die Stadt regelmäßig durch einen anderen Weckruf: Ein mächtiges Tschindern, das Innsbruck erbeben lässt und jeden aus dem Schlaf reißt. So auch am ersten April. Kein Scherz.
Wenn das Goldene Dachl die größte Sehenswürdigkeit ist, dann ist das frühmorgendliche Sprengen der Lawinen auf der Nordkette die größte Hörenswürdigkeit von Innsbruck. Es gibt wohl wenige Städte mit solchen Nebengeräuschen.
Ein anderes ist das Krachen und Dröhnen der Flugzeuge, die nur knapp über die Dächer der Stadt donnern. Touristen kann man gut daran erkennen, dass sie bei jedem Flieger zusammenzucken, während die Innsbrucker keine Miene verziehen.
Wir Einheimischen haben dafür irritiert nach oben geblickt, als während der Pandemie plötzlich keine Flieger mehr daherkamen und der vertraute Lärm ausgeblieben ist.
Das Ungewöhnliche wirkt hier völlig gewöhnlich. Wenn einem zum Beispiel Radfahrer mit Skischuhen begegnen; wenn sich mitten in der Stadt Horden von Skifahrern die Ideallinie zur nächsten Liftstation bahnen; wenn alles dorthin drängt, von wo das morgendliche Tschindern hergekommen ist.
Die Uni des Lebens
Es sind vor allem Studenten, die diesem Lockruf der Berge erliegen. Nicht wenige der 12.000 ausländischen Hochschüler haben wohl genau aus diesem Grund Innsbruck gewählt. Weil es hier inoffizielle Studienrichtungen gibt, die keine andere Uni anbietet: die Fakultät für Outdooraktivitäten oder den Lehrstuhl fürs Mountainbiken.
Es hält sich ja hartnäckig das Gerücht, dass viele Studenten deutlich weniger Zeit im Hörsaal verbringen als auf den Bergen.
Aber danach kräht in Wahrheit kein Hahn.
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