Die vier Geh-Fragen

Die vier Geh-Fragen
Wir gehen. Daria schaut uns nach. Ihr Blick - einer vielsagender, stummer Vorwurf
Birgit Braunrath

Birgit Braunrath

Wir gehen. Daria wirft uns einen langen Blick hinterher. Einen vielsagenden, schweigenden Vorwurf. Bis wir außer Sichtweite sind. Dann geht sie die Stiege rauf, macht sich auf dem Sofa breit und lang – und genießt ihre Ruhe.

Ich weiß das. Weil ich sie lang genug kenne. Darias Herrl kennt sie genauso lang, sieht die Lage aber weniger nüchtern. Der kuhäugige Abschiedsblick, den ihm sein Lieblingshund hinterherwirft, bricht ihm das Herz. Weswegen er nicht ganz zurechnungsfähig ist und glaubt, Daria würde heftig schluchzend zurückbleiben, sich verraten fühlen, nach oben zu ihrem Tagebuch eilen und herzergreifende Einträge über den treulosen Liebsten und die Einsamkeit verfassen.

Ich weiß‚ die Wahrheit: Sie eilt nach oben, um nachzuschnüffeln, wo ich ihr ein paar Hundekekse hinterlegt hab (psst, ihr Herrl weiß davon nichts). Dann schläft sie zufrieden ein. Er aber leidet.

„Geht der Hund mit?“

Im Lauf einer Paarbeziehung stößt man auf hochsensible Geh-Punkte, die jede Menge Beziehungssprengstoff enthalten. Ganz am Anfang ist es die Frage:

Geht da was?

Kurz darauf:

Wie weit gehen wir?

Etwas später immer wieder die Frage:

Gehen wir zu dir oder zu mir?

Eines Tages schließlich die Frage:

Geht der Hund mit?

Und die zieht sich seit Jahren wie ein roter Faden durch unser Leben. Seit wir die neue Eingangstür mit der Glasscheibe bis zum Boden haben, hat sie an Brisanz zugelegt, denn der Hund schaut uns nach.

Die von Daria festgelegte Hausordnung ist jetzt so: Verlasse ich das Haus, passiert gar nichts. Sie schläft weiter. Verlässt der Mann das Haus, schaut sie ihm hinterher, als zöge er in den Krieg. Verlassen wir zu zweit das Haus, legt sie noch etwas mehr Dramatik in ihren Blick.

Er: „Können wir Daria nicht doch mitnehmen?“ Ich: „Nein, diesmal nicht. Wir ... sind bei Leuten mit Hundeallergie eingeladen / Gehen ins Kino / Wollten ausnahmsweise zu zweit sein (also ich zumindest)...“ Er, vom schlechten Gewissen übermannt, leidet wie ein Hund und will nach der Rückkehr alles mit einer Überdosis Streicheleinheiten wieder gut machen. Daria lässt sich Zeit mit dem Verzeihen. Er durchschaut sie nicht. Und ich knurre: „Nächstes Mal kommt sie mit!“

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