Das perfekte Versteck

Das perfekte Versteck
Daria spielt mit mir verstecken, sagt es mir aber nicht mit. Ich finde sie im Keller unter der Motorsense.
Birgit Braunrath

Birgit Braunrath

Wenn Menschen sagen: „Im Alter wird man komisch“, meinen sie andere, nie sich selbst. Man hat schließlich Augen, die hinaus- und nicht hineinschauen. Also sieht man Schrullen, Marotten und auffällige Verhaltenseinfälle der anderen besser als die eigenen. Man selbst wird nicht komisch, sondern pflegeleicht. Auch das ist logisch, man kennt sich selbst mit den Jahrzehnten schon so gut, dass man gelernt hat, mit sich umzugehen. Neulich sagte auch ich den Satz. „Im Alter wird man komisch.“ Ich meinte den Hund. Darias Marotten nehmen zu.

Unlängst wollte ich mit ihr weggehen. Ich rief sie. Sie antwortete nicht. Das ist nicht außergewöhnlich. Der Beagle ist temporär schwerhörig. Kein Grund, zum Hundehalsnasenohrenarzt zu gehen. Es reicht Bestechung, ein Rascheln mit dem Futtersäckchen – schon ist sie da.

Wetterfühlig und wetterfürchtig

Diesmal raschelte ich umsonst. Da ich es eilig hatte, tat ich, was man nie tun soll, Beagle-Mitbewohner aber ständig tun: Ich rannte meinem Hund hinterher. Nachdem ich alle erlaubten und verbotenen Rastplätze abgesucht hatte, stellte ich fest: Daria war nicht da. Das schien mir doch ungewöhnlich. Panisch suchte ich weiter.

Schließlich fand ich sie, eher zufällig, im perfekten Versteck: Sie lag im Keller, auf einer alten Couch, die gerade als Ablage für die neue Motorsense dient. Unter dem Karton der Motorsense hatte sie sich mit einer Decke eine Höhle gebaut, von der aus sie mich beobachtete, in der ich sie aber lang nicht entdeckte.

Als Grund für das Versteckspiel stellte sich heraus, dass ich, zu Darias Missfallen, die Wohnzimmerfenster geöffnet hatte. Sie empfindet das Geräusch von durchpfeifendem Wind neuerdings als bedrohlich. Menschen werden im Alter wetterfühlig, Daria wird wetterfürchtig. Erst fing sie an, sich bei Donner zu verkriechen, jetzt auch bei Wind.

Darias Herrl, der ihr jeden Wunsch vom ängstlich eingezogenen Schwanz abliest, beschloss, das Lüften bis auf Weiteres sein zu lassen. Als es am Freitag 33 Grad hatte und abends endlich die kühle Brise kam, lüfteten wir. Daria floh Richtung Keller. Die Kellertür war zu. Also legte sie sich davor. Die Verhandlungen für ihre Rückkehr ins Wohnzimmer waren lang und zäh. Schließlich willigte sie ein. Der Deal: zehn Streicheleinheiten, fünf Hundekekse – und Fenster zu.

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