Die Oberlehrerin

Die Oberlehrerin
Neulich wieder den Hunden bei der Arbeit zugeschaut und jede Menge über Konfliktkultur gelernt
Birgit Braunrath

Birgit Braunrath

Daria und ich fuhren an die schöne Leitha, um andere Hunde und deren Leinenträger zum „Social Walk“ zu treffen. Social Walk ist eine Form des Hundetrainings, die Daria besonders Spaß macht. Sie, mit ihren nunmehr neun Jahren, kann dabei gegenüber den anderen Hunden voll ihre Oberlehrerinnenqualitäten ausspielen. Und sie macht das pädagogisch einwandfrei: Sie fordert auf, gleicht aus, schnauzt an, bremst ab ...

Sandra, der Hunde-und-Menschen-Trainerin, lacht dabei das Herz. Und wir lachen mit, wenn Sandra uns die Körpersprache der Hunde in die Zungensprache der Menschen simultanübersetzt.

„Achtung! Eine große Ressource“

Doch plötzlich schien die Oberlehrerin unaufmerksam zu werden. Jungspund Ozzy sprang die doppelt so große, anmutige Alani ständig von hinten an. Die nahm es scheinbar gelassen, bellte nicht „metoo!“, sondern ließ ihn einfach buchstäblich den Buckel runterrutschen. Ozzys Interesse wurde mit jedem Absturz nur noch mehr geweckt. Alani blieb unaufgeregt. Als wisse sie: Die Erschöpfung des kleinen Mannes würde ihr früher oder später von selbst Ruhe bescheren.

Aber wo war Daria? Von der konnte man nur noch den Körper vom Nacken abwärts sehen. Sie hatte inzwischen ein tiefes Loch gebuddelt, denn sie war hinter einer Wühlmaus her. Auch mit neun Jahren und ohne je eine Wühlmaus ausgegraben zu haben, tut sie so, als wär’s das erste Mal, gräbt immer wieder mit vollem Körpereinsatz, weil sie weiß: Alles ist möglich, an jedem Tag aufs Neue.

Es kam keine Wühlmaus zum Vorschein, dafür aber eine neugierige Alani, die den erschöpften Ozzy erfolgreich abgeschüttelt hatte. Sandra sagte den seltsam klingenden Satz: „Achtung, es wird spannend. Das Loch ist eine große Ressource!“ – Und schon bellte Daria kurz und scharf Richtung Alani: „Wau. Wau.“

Die verstand sofort, dass das nicht ihre „Ressource“ war, zog sich zurück und grub ein eigenes Loch. Als die Hunde fertig waren, liefen sie einträchtig weiter. Keiner brauchte eine Schlichtungsstelle, einen Anwalt oder eine metoo-Debatte. „Das ist klare Kommunikation“, sagte Sandra. Und ich bildete mir ein, dass Daria zufrieden nickte.

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