Die hohe Kunst des Nichtstuns

"ÜberLeben": Muss der Sommer wirklich sterben? Kann man etwas dagegen tun, indem man nichts tut?
Guido Tartarotti

Guido Tartarotti

Wir haben also bereits den 17. August, und das ist jene Phase des Sommers, in der man zu ahnen beginnt, dass er vielleicht doch einmal zu Ende gehen wird. Anfang Juni ist er noch jung und verspielt, Anfang Juli lässt er seine Muskeln spielen, Anfang August wird er dick und faul, dann altert er rapide, und wenn der September kommt, ist der Sommer alt und greisenhaft, bevor der elende Herbst seine Überreste einfach wegregnet.

Schon als ich ein Kind war, hat mich die Zeit ab Mitte August traurig gemacht. Plötzlich spürte man, was Anfang Juli noch undenkbar war: Die Ferien sind möglicherweise doch nicht unendlich. Es ist sogar möglich, dass das Schlimmste eintritt und ich irgendwann einmal wieder zurück in die entsetzliche Schule muss. Ich habe die Schule  gehasst, denn ich empfand sie immer als Mordversuch an meiner Fantasie und Neugier. Ich musste mich mit Dingen befassen, die mich nicht interessierten, und die Dinge, die mich interessierten, zählten nichts mehr.

Was kann man tun, um das Sterben des Sommers hinauszuzögern? Man kann absolut nichts tun.  Oder besser gesagt: Man kann etwas tun, indem man nichts tut. Zeit, in der man nichts tut, vergeht subjektiv gesehen langsamer. Allerdings, das ist der Preis: In der Rückschau erscheint sie dann kürzer, das ist das Paradoxon des Nichtstuns.

Nichtstun ist ein neuer Wellness-Trend, las ich unlängst im KURIER. Das Ganze nennt sich „Niksen“, der Begriff kommt aus dem Niederländischen und  bedeutet „Faulenzen“. Gar nichts zu tun, falle dem modernen Menschen sehr schwer, sagen Psychologen, viele müssten diese Kunst erst mühsam lernen.

Da war ich offenbar schon vor Jahrzehnten ein Vorreiter – neun Ferienwochen lang „Niksen“ fiel mir nicht schwer.
Wie sagte schon Pascal angeblich? „Alles Unglück der Menschen rührt allein daher, dass sie nicht ruhig allein ihrer Kammer sitzen können.“ (Er sagte allerdings auch „Die vollkommene Ruhe ist der Tod“.) 

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