Der Star zögert, der Boss bleibt

Verkehrte Sportwelt: Warum Doping mehr bewegt als Erfolg und der Langzeit-Präsident weitermachen wird.
Wolfgang Winheim

Wolfgang Winheim

Auch wenn Marcel Hirscher, 30, im Finish ein bissel die Höhenluft ausgeht – anlässlich dessen achten Gesamtsieges wird auch am Weltcup-Finaltag in Andorra für den halben Holländer die österreichische Hymne gespielt. Vielleicht gar zum letzten Mal?

Der weltbeste Wintersportler wird darauf im Sommer antworten. ÖSV-Chef Peter Schröcksnadel, 77, der von Hirscher mehr geschätzt wird als von Journalisten, hat indes über seine Zukunft entschieden. Der von der Oldies-WM in Megève nach Andorra geeilte Senioren-Champion will weder seine Rennskier ins Eck stellen, geschweige denn seinen Präsidentensessel räumen. Vielmehr spornt ihn der Seefelder Doping-Skandal, der weidlich zur Kritik an ihm genutzt wurde, zum Bleiben noch an. Die neueste Web-Analyse wird ihn irritieren. Erzeugte doch der Skandal in den Social Media international eine viel höhere Aufmerksamkeit als Kitzbühel, Schladming und alle anderen sportlichen Ski-Highlights.

Da der neunte oder zehnte Sünder frühestens am Mittwoch bei einer Pressekonferenz in München bekannt wird, geht Hirschers achter Streich in den Foren nicht ganz unter. Er und erst recht die Tatsache, dass der ÖSV in der 30. Saison unter Schröcksnadel zum 30. Mal (wofür Hirschers Punkte nicht einmal notwendig waren) den Nationencup gewinnt, wird von Bloggern als langweilig empfunden. Doch ist nicht auch Sportbetrug längst Alltag?

Schon im letzten Jahrtausend wurde gelogen, dass sich Langlaufskier, Radfelgen und Speere bogen; bedauerten Kontrollore, dass die Gejagten den Dopingjägern stets um eine Nasenlänge voraus sind; fielen vermeintlich saubere Athleten verbal über ertappte her, ehe etliche Moralapostel selbst aufflogen; forderten Politiker strengere Dopinggesetze, die es in Österreich im Gegensatz zu anderen Nationen inzwischen immerhin gibt.

Wegen Seefeld spielt man beim Internationalen Olympischen Komitee auf empört. Dezent seien die hohen Herren der Ringe gefragt, ob es nur Zufall war, dass man Koffein, während Cola als Olympia-Hauptsponsor einstieg, von der Verbotsliste strich; und dass bei den Winterspielen 2010 im eishockeyverrückten Kanada für Eishockey lockerere Dopingverbotsregeln als für andere Sportarten galten.

Die Pharisäer sind allzeit präsent. Und mehr denn je auch in Medien vertreten. Weshalb an den Pranger gestellte Sünder rasch zu begehrten Interviewpartnern werden. Zuerst verteufelt und dann verwendet. Hauptsach’, die Klicks und die Quoten stimmen.

Kommentare