Der österreichische Fußball und das Wiener Schnitzel

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Erstmals seit 16 Jahren werden ausnahmslos Vertreter aus Europas fünf Topligen im CL-Achtelfinale vertreten sein.
Wolfgang Winheim

Wolfgang Winheim

Keine Belgier, keine Niederländer, keine Portugiesen, keine Schweizer, keine Osteuropäer. Erstmals seit 16 Jahren, seit die Champions League nach dem gleichen Modus ausgetragen wird, werden ausnahmslos Vertreter aus Europas (mit den höchsten TV-Geldern verwöhnten) fünf Topligen bei der morgigen Auslosung der K.-o.-Phase vertreten sein. So gesehen kann nicht oft genug daran erinnert werden,

dass Salzburg in mitreißenden Spielen gegen Belgiens Meister und Liverpool imponierte, obwohl im Sommer drei Nationalspieler plus Torjäger Munas Dabbur plus Trainer Marco Rose Salzburg Richtung Ausland verlassen hatten;

dass der LASK in der Europa League als sensationeller Gruppensieger überwintert, obwohl nach dem Abgang von Erfolgstrainer Oliver Glasner seinem Nachfolger Valérien Ismaël kein langes Dasein in Linz prophezeit worden war;

dass der Wolfsberger AC den deutschen Tabellenführer Mönchengladbach auswärts deklassierte, in Rom ein 2:2 erkämpfte und sich auch daheim nicht blamierte, obwohl die Kärntner kein Europa-League-Heimspiel in Kärnten austragen durften, weil ihre Lavanttaler Provinzbühne von der UEFA nicht genehmigt und das Wörtherseestadion für ein Kunstprojekt mit Bäumen zugepflanzt worden war.

Kurzum: Die österreichische Meisterschaft kann sportlich nicht so schlecht sein, wie auf Grund des bescheidenen Umfelds vermutet werden muss. Auch fällt im internationalen Vergleich auf, wie Spieler aus der mutmaßlichen Kasperl-Liga Gegner mit intensivem Tempo in Verlegenheit bringen.

Benachteiligte Stürmer

Da aber eine Kicker-Kolumne ohne Nörgeln einen Bruch mit Wiener Tradition bedeuten würde, sei rasch festgestellt:Hans Krankl, Toni Polster, Marc Janko sind Vergangenheit. Dem Land der Innenverteidiger fehlen die Torjäger.

Weil schon bei den Kleinen, brav den angeordneten Ballbesitz forcierend, viel zu lange der Ball weit weg vom Tor hin- und hergeschoben werde, bedauert Israels Teamchef Andreas Herzog, der – wenn nicht gerade in Tel Aviv – als Vater zweier Admira-Buben hierzulande beim Nachwuchs spioniert.

„Weil auch bei den Kleinen die Stürmer als erste ausgetauscht werden“, kritisiert ÖFB-Auswahltrainer Rupert Marko, dessen U 19 sich als bestes Team aller 50 Teilnehmer für die Eliterunde der U-19-EM-Ausscheidung qualifizierte. Obwohl auch für die Altersklasse gilt: Stürmer Mangelware. Wie bei den Erwachsenen.

Dominante Legionäre

In den letzten fünf Jahren wurden ausnahmslos Legionäre Schützenkönig in Österreich: Dreimal Jonathan Soriano für Salzburg, der (Ex)-Austrianer Larry Kayode sowie in der letzten Saison der inzwischen für Sevilla stürmende Dabbur. Nachfolger als bester österreichische Liga-Schütze könnte dessen israelischer Landsmann Shon Weissmann in Trikot des WAC werden. Zumal der Norweger Erling Haaland 2020 als dann 20-Jähriger nicht mehr in Salzburg, sondern in einer der besagten Topligen für ein Topgehalt stürmen wird.

Part of the game, pflegt man lakonisch zu sagen. Bleibt die Frage, wie lang das dem Konsumenten noch gefällt, wenn die Champions League immer mehr zum Exklusivtreff von immer den selben Superreichen ausartet. Auch wer ständig nur das gleiche Schnitzel serviert bekommt, verliert irgendwann den Appetit.

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