Das Weihnachtsmärchen vom fetten Karpfen
Wenn man ehrlich zu sich ist, sind die Diskussionen um das richtigste Traditionsessen für den heiligsten aller Abende völlig sinnlos. Es ist egal, was zwischen Schaumweinaperitif, Cremesuppe, mayonnaisigem Vorspeisensalat und Lachscremekäseröllchen davor und Käseplatten, Schokomousse, Marzipanknödel und Süßwein-Denprobiermaheutemal-Orgien danach liegt: Gans, Karpfen, Ente, Bratwurst – schlecht ist einem sowieso und man sollte solch gute Sachen zwar öfter essen, aber nicht auf einmal.
Dennoch hat jeder seine Vorliebe und – so ist das eben mit der Tradition – nur eine einzige Wahrheit. In meinem Fall ist es der Karpfen. Es gab einfach immer panierten Karpfen und meine Mama hat ihn besser gemacht als jede andere Mama. Der Erdäpfelsalat hatte immer sein feierliches Mayonnaisegewand an und schwarze Pfefferpunkte drauf und ich denke bis heute, dass das genau so gehört. So und nicht anders.
Trotzdem muss ich zugeben, dass man mit Karpfen in jeder erdenklichen Art oft aneckt – sogar passionierte Fischesser verweigern ihn oft. Das ist zwar nicht der einzige Grund, warum ich die alle am Heiligen Abend nicht zu mir einlade, aber durchaus ein triftiger.
Karpfentatar und mehr
Der Karpfen, und das sei jetzt einmal klargestellt, ist weder immer fettig noch schmeckt er immer nach Schlamm. Man kann ganz viele Speisen daraus machen – ich habe mich zum Beispiel einmal an einem Karpfentartar versucht – und auch wenn er nie so gut sein wird wie bei meiner Mama, lohnt sich der Versuch.
Und wer am Ende des langen Abendmahls dann mit gewölbtem Bauch und gesprengtem Hosenknopf dasitzt und meint, der Karpfen ist halt leider doch zu üppig und schwer, der blicke auf die vielen schmutzigen Teller in der Küche oder den letzten Bissen vom flüssigen Schokokuchen oder den leeren Keksteller und bedenke: Es ist nicht immer der Hauptgang schuld.
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