Barbara Kaufmann: Römischer Optimismus

Wenn ohnehin nichts funktioniert, kann man das Leben auch gleich nicht so schwer nehmen.
Barbara Kaufmann

Barbara Kaufmann

In Rom ist es stickig und es riecht nach Müll. Das kann vorkommen im Sommer, wenn die Hitze erst frühmorgens und da auch nur für ein paar Stunden aus der Stadt verschwindet. Tagsüber heizt die Sonne alles auf, was achtlos in der Gegend herumsteht. Mülltonnen, Autos, Motorroller. Dass letztere darauf nicht gut reagieren, merkt man auch als Fußgänger. Nämlich spätestens dann, wenn man um 6 Uhr Früh davon wach wird, dass ein Roller unten vor dem Haus nicht und nicht anspringen will. Ganze 20 Minuten lang.

Ich schlafe bei offenem Fenstern, denn in meinem Wohnhaus in Prati gibt es keine Klimaanlage. Das heißt, sie existiert zwar, aber sie funktioniert nicht. Der Pensionist aus dem Stockwerk über mir, der selbst bei Temperaturen jenseits der 30 Grad einen Anzug trägt, lacht trocken. Er hätte sich schon beschwert, aber bis der Hausbesitzer dazu käme, etwas zu reparieren, wäre es meistens Dezember. Und wer, würde er dann fragen, braucht schon eine Klimaanlage im Winter? Und repariert sie dann erst recht nicht.

An der Bushaltestelle steht eine Menschentraube in Bürokleidung. Ein sicheres Zeichen dafür, dass der Bus nicht gekommen ist. Fahrpläne existieren nicht. Die Busse kommen irgendwann. Und manchmal kommen sie auch gar nicht. Wenn wieder ein Bus raucht oder zu brennen begonnen hat zum Beispiel. Ich habe das nur einmal miterlebt und bin seitdem mehr als zufrieden mit den Wiener Linien. Giuliana, die Kellnerin im Lokal ums Eck, in dem ich zu Mittag esse, ist deshalb auch zu spät zur Arbeit gekommen. Ihr Roller ist kaputt gegangen und sie hat keine Zeit, ihn in die Werkstatt zu bringen, weil sie jeden Tag arbeitet, bis der Letzte gegangen ist. Und in einer Stadt, in der man auch spät nach Mitternacht noch in den Gastgärten sitzt, kann das lange dauern.

Keine Unterstützung

Giuliana ist 23 Jahre alt und würde gerne studieren, am liebsten Architektur, aber das kann sie sich momentan nicht leisten. Ihre Eltern können sie auch nicht unterstützen, denn sie ist die einzige von vier Geschwistern, die einen Job hat. Obwohl alle die Schule erfolgreich abgeschlossen haben. Wenigstens hätte sie Glück mit ihren Gästen, sagt sie. Es sind vor allem Anwälte, die in der Gegend rund ums Gericht ihre Kanzleien haben. Die wollen nicht reden, essen schnell und geben gutes Trinkgeld. Und vielleicht geht sich das Studium doch bald aus.

Spätabends schlendere ich durch die Stadt, weil mich die Hitze nicht schlafen lässt. In einer Gasse unweit vom Petersdom basteln drei Jugendliche an einer Vespa herum. Es ist kurz vor Mitternacht. Als sie schließlich anspringt, fallen sich zwei von ihnen in die Arme, während der dritte triumphierend ein paar Meter fährt, bis die Vespa erst wieder den Geist aufgibt und die drei von vorne damit beginnen, an ihr herum zu schrauben.

Irgendwie ist er ansteckend, der römische Optimismus, der auch etwas Fatalistisches hat. Wenn ohnehin nichts funktioniert, kann man das Leben auch gleich nicht so schwer nehmen. Und einfach dort weitermachen, wo es eben geht. Manchmal würde ich gerne etwas von diesem Optimismus mit nach Wien nehmen. In eine Stadt, in der so vieles funktioniert und man oft doch nur darüber spricht, was nicht geht.

barbara.kaufmann@kurier.at

Kommentare