Barbara Kaufmann: Nur nicht in die Politik!

Es kann nicht mehr so weitergehen. Aber wer sollte es ändern?
Barbara Kaufmann

Barbara Kaufmann

Nein, sie schüttelte den Kopf, so wild, dass die Stirnfransen hin und her flogen, die schief geschnitten waren. Das Werk einer ihrer Schützlinge auf der Heimfahrt vom Wandertag. Eines der vielen Kinder, um die sie sich kümmerte, ehrenamtlich. Niemals würde ich mir das antun!

Ich hab keine Lust, mich auszustellen und ausstellen zu lassen. Ich will mich dem nicht aussetzen, der Häme, dem Spott und den Grenzüberschreitungen. Ich stell mich nicht zur Verfügung dafür, dass sich alle verbal abarbeiten dürfen an meinem Körper, ungestraft und hemmungslos. Dass sie mir Anzüglichkeiten schreiben, dass sie mich verächtlich machen, dass sie in meinem Privatleben wühlen. Denn das passiert dir als Frau in der Öffentlichkeit, das ist die Realität. Dass sie nicht darüber sprechen, was du sagst, sondern wie du es sagst. Nicht darüber, wofür du stehst, sondern wie du dastehst, wie du dich bewegst, was du dabei trägst.

Ich will mich nicht aufreiben lassen zwischen Befindlichkeiten und Egoismus. Ich will mir nicht dabei zusehen, wie ich zerbreche an den täglichen Kämpfen, an den Kommentatoren und Konkurrenten.

Ich will mich nicht verlieren in dem Gewirr aus Sprechblasen und Phrasen aus lauter Angst, etwas Falsches zu sagen. Ich will nicht andere darüber bestimmen lassen, wie ich auftrete, wie ich denke, wie ich bin.

Nein, alles, nur nicht in die Politik!

Mehr Zuhören als Reden

Nein, sagte er langsam und wog den Kopf bedächtig hin und her. Eine seiner typischen Gesten, die man aus langen Sitzungen kannte, in denen er Menschen zusammenbrachte, sie für dieselbe Sache begeisterte, sie zu Verbündeten machte, mehr durchs Zuhören als durchs Reden.

Nein, das wäre nichts für mich. Die Hektik und das Tempo, in dem Themen verhandelt werden, abgeschossen, aussortiert, weil mit ihnen keine Stimmen zu holen sind, weil sie zu kompliziert sind, um sie in zwei Sätzen zu erklären. Ich halte nicht gerne Reden, das liegt mir nicht. Ich spreche lieber direkt mit den Menschen und ein gutes, ehrliches Gespräch, das ergibt sich dann von selbst. Das braucht Vertrauen und viel Zeit. Die gibt dir niemand, wenn du in der Öffentlichkeit stehst. Ich wüsste auch keine Partei, die mich anspricht, keine einzige, zu der ich mich zugehörig fühle. Ich bin nicht zu haben für Parteipolitik. Die Bürgerinitiativen müssten gestärkt werden, das Ehrenamt. Was nichts kostet, ist nichts wert. Das denken viele, auch wenn sie es nicht zugeben. Das ist die herrschende Mentalität. Das muss sich ändern. Das Miteinander muss in die Köpfe der Menschen. Das Gefühl, Teil der Gesellschaft zu sein. Dafür will ich kämpfen. Nicht für einen Posten, für den ich alles verkaufe, woran ich noch glaube. Nein, sagte er, alles, nur nicht in die Politik!

Herz und Hirn braucht es statt Klientelinteressen, sagte sie. Idealisten statt Karrieristen, sagte er. Beide engagieren sich seit Jahrzehnten für andere. Beide haben viel zu geben, viel zu sagen, haben Ideen, die etwas bewegen könnten.

Es war einer der letzten lauen Sommerabende. Die Luft roch schon nach Herbst, die Nächte wurden dunkler. Es kann nicht mehr so weiter gehen, sagten sie beide. Und niemand widersprach ihnen. Aber wer sollte es ändern?

barbara.kaufmann@kurier.at

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