Figuren aus dem 3D-Drucker: Besuch in der Puppentheater-Werkstatt
Hinunter in den Keller. Im letzten Eck tut sich hinter einem Vorhang die vielleicht kleinste, tiefste Probebühne Wiens auf. Ein großer, kleiner Maulwurfshügel. Der (Puppen-)Spieler Michael Pöllmann führt Molte, den Maulwurf, an der Hand zum Ein- und Ausstieg seiner unterirdischen Behausung. Rauf, rundherum. Hinein – das kann er jetzt nicht. Er hat sich ausgesperrt. Und der Schlüssel – nicht nur zu seinem Bau, sondern auch zum Herzen – wird gerade erst in einer anderen Ecke des Kellers fabriziert.
Zwischen Sägen, Nägel, Hämmern und anderem Werkzeug einer klassischen, ein wenig unaufgeräumten, weil ständig benutzten, Werkstatt, in der auch holzgeschnitzte Puppen hängen, steht ein 3D-Drucker. Schicht für Schicht entsteht der Schlüssel. Noch weiß. So wie auch der Maulwurf. Ihre Farben kriegen die Teile und Tiere erst – von Hand bemalt. Aber dazu später, wenn wir die Stufen zum ersten Stock erklimmen.
Lokalaugenschein
Kinder-KURIER und schauTV durften bei Proben zu „Wiesenträume“ dem Spieler, den drei Musiker_innen sowie der Wiener Puppenbauerin auf die Finger und über die Schulter schauen, den Klängen lauschen und Fragen stellen – auch wenn mit Ausnahme des Figurenspielers alle davor zunächst Angst hatten – nur vor den Interviews vor Kamera und Mikrophon. Das Musiktrio war – so viel darf verraten werden – danach voll entspannt, sogar dankbar erfreut.
„Wiesenträume“ wird ein knapp mehr als halbstündiges Stück für sehr junge Kinder, ab 2 Jahren. Aber – sobald natürlich auch wirklich vor Publikum gespielt werden darf – auch für all jene älteren Kinder und nicht zuletzt Erwachsenen, die sich darauf einlassen, ins bewegte Leben auf einer Wiese einzutauchen. Dem Maulwurf auf seiner Suche nach dem Schlüssel ebenso zu folgen wie der Raupe Lysandro bei ihrer Gefrässigkeit zuzuschauen und ihre „Verpuppung“, die Verwandlung zum Schmetterling, mitzuerleben. Und das sind noch lange nicht alle. Als weitere Wiesenbewohner_innen seien noch kurz erwähnt, die Ameise Vincentia, Mauswiesel Donnola Mustela Nivalis von Humboldt, der als „Erklärbär“ durch das Geschehen führt, oder Erdhummel Niccolo Bombini.
„Hier in Wien ist der Wiesen-Hotspot, die Keimzelle des Stücks“, so Micha Pöllmann, der bisher hier eher als Schauspieler und Miterfinder von Stücken mit menschlichen Darsteller_innen und Musiker_innen bekannt ist. Nachdem er das Marionettentheater seiner Eltern in Bayern übernommen hat, möchte er dort das Repertoire von klassischen Stücken mit diesen Figuren erweitern. Dazu wird „Wiesenträume“ ein Anfang sein. Mit dem von ihm in Wien mit-gegründetem Theaterkollektiv „Werk89“ hatte er schon früher eine Kooperation mit dem Maribor Puppentheater. Dort ist das Know-How für die digitale Modellierung sowie die daraus folgende „Fütterung“ des Druckers mit den entsprechenden Daten.
Kooperation mit slowenischem Theater
Die zuletzt genannte Wiesenfigur, die Erdhummel, erleben wir bei ihrer Bunt-Werdung unter den Händen von Scarlett Köfner. Die gelernte Modedesignerin, Damenschneiderin, spätere Fotografin und nach und nach zur Puppen- und Figurenbauerin gewordene Künstlerin freut sich im Interview nun vieles von den nach und nach studierten und erlernten Fähig- und Fertigkeiten nun zu einem Ganzen zu vereinen. „Ich bin neugierig, will immer neue handwerkliche Techniken dazulernen. Es war schon immer mein Traum, all das einmal verbinden zu können“ und zeigt eine kleine Jeanshose, die sie auf einer der vielen unterschiedlichen Nähmaschinen die in der Werkstatt stehen genäht hat und zieht sie dem Maulwurf an.
Sie hatte auch die Idee zu Wiesenträume. An den Wänden hängen Dutzende Bleistift-Skizzen der Figuren. (Fast) alle wirklichen Figuren bestehen aus (Körper-)Teilen aus 3D-Druckern. Nur die große Raupe ist vor allem aus Stoff, aber mit 14 3d-gedruckten Schühchen. Dafür, dass aus den Skizzen jene Vorlagen im Computer werden, die dann ausgedruckt zusammengesetzt werden können, ist das Maribor Puppentheater (Slowenien) zuständig, vor allem dessen neuer Puppenmeister Aleksander Andželović.
Reale Treffen fehlten schon
Die Zusammenarbeit mit dem slowenischen Puppentheater, „ist durch Corona schon schwieriger geworden. Natürlich können wir vieles auch online besprechen und ausmachen, aber direkte Begegnungen wären da schon angenehmer!“, so die Schöpferin der Figuren.
Andželović beherrscht die drei Computerprogramme, die dafür notwendig sind, verrät uns Scarlett Köfner. Sie wohnt hier in diesem Haus am Leopoldauer Platz (Wien-Floridsdorf), wo die Stadt eher dörflichen Charakter hat, in vierter Generation – gemeinsam mit „Micha“ Pöllmann – den wir schon eingangs kennengelernt haben – und deren gemeinsamen Kind – also fünfte Generation.
Analog – digital - analog
Zurück zur Hummel. Die Künstlerin freut sich vor allem über das Zusammenspiel zwischen analog und digital. „Von der Handzeichnung über die Computergrafiken, die dann dazu führen, dass die Teile ausgedruckt werden – während wir schlafen oder anderes machen können. Der Hummelhut zum Beispiel hat acht Stunden gebraucht“, lüftet sie den mittlerweile von ihr lila bemalten Hut mit gelber Schleife vom Kopf der Hummel. Der ganze Zylinder mit geschwungener Krempe und Schleife kam aus dem Drucker. „Übrigens verwenden wir ein Filament auf Maisbasis“, legt die Künstlerin Wert darauf, auch nachhaltiges Material zu verwenden.
Bis in die kleinsten Details
Nach dem Zusammenbau der digital gedruckten Teile ist sie beim Malen in ihrem kreativ-chaotischen Atelier voll in ihrem Element. Wobei sie sehr detailverliebt vorgeht und auf eine aufgemalte „Naht“ auf den schwarzen Schuhen der Hummel zeigt.
Die Detailverliebtheit, auch wenn das dann vielleicht vom Publikum gar nicht gesehen wird, ist keine Marotte, sondern „wenn ich so eine Figur entwerfe und dann fertig stelle, tauche ich richtig in sie ein, sie beginnt für mich zu leben, zur Person zu werden“, erklärt die Künstlerin. Natürlich beschäftigt sie sich vor allem zu Beginn mit der Anatomie. Und so hat die Hummel natürlich sechs „Beine“. Im Puppenspiel können einige davon selbstverständlich zu Armen und Händen werden. Und so kann Niccolo Bombini zwei Violinen bedienen.
Musik
Apropos Violinen: Wir kehren zurück in den Keller. Während Pöllmann, der das Marionettentheater Schwandorf (Bayern, Deutschland) von seinen Eltern übernommen hat, den Maulwurf in die vor dem Hügel stehende Badewanne steigen lässt, wo er sich aus einer Blume duschen wird, erklingen die unterschiedlichsten Töne. Johanna Kugler spielt abwechselnd Geige und Bratsche, Maria Mogas Gensana auf dem Akkordeon und Pouyan Kheradmand auf der Santur (mit diesem persischen Instrument ist unser Hackbrett verwandt). Manchmal schlägt er auch eine flache Trommel – und das sind nur weniger der Instrumente, die er beherrscht.
Gemeinsam haben sie den Soundtrack zur Story und Melodien zu einzelnen der Figuren entwickelt, manchmal greifen sie dabei auf bekannte musikalische Motive zurück, etwa wenn es passt, weil Molte, der Maulwurf beim Bad in der Wanne ein Piratenlied singen will, eben zu Piratenmusik. In der ersten Phase, so erzählt die Geigerin und Bratschistin, „haben wir alle zu Hause geübt, Melodien entwickelt, aufgenommen und uns die Stücke digital hin und her geschickt bis wir schlussendlich zu dritt proben konnten.“ Die Theaterleute haben jeweils die Charaktereigenschaften der Figuren übermittelt. „Manchmal mussten wir ein Thema dann noch variieren, weil der Maulwurf zum Beispiel auf den Berg kraxeln sollte. Dabei muss sich die Musik dann doch ein wenig anders anhören.“
Die Musik wird, wenn sie ganz fertig und mit dem Figurenspiel abgestimmt ist, aufgenommen. Bei den Aufführungen – die geplanten Spieltermine im Dschungel Wien liegen im Juni – was hoffen lässt, dass sie halten – wird die Musik vom Computer abgespielt.
Eine der Grundmelodien lässt selbst nach kurzem Zuhören ein Gefühl des in der Wiese Liegens und Träumens aufkommen, ein Soundtrack zur Meditation. Allein der kalte Keller – vor den drei Musiker_innen stehen Heizstrahler – reißt aus den möglichen Träumen ;)
Wiesenträume
Puppen- und Objekttheater mit Musik
werk89, Maribor Puppentheater (Slowenien) & Marionettentheater Schwandorf (Deutschland)
Idee: Scarlett Köfner
Konzept und Spiel mit den Figuren: Mauswiesel Donnola Mustela Nivalis von Humboldt, Ameise Vincentia, Amsel Amelia, Maulwurf Molte, Erdhummel Niccolo Bombini, Raupe/Schmetterling Lysandro, Frau Feuerwanze Malva, Herr Feuerwanze Carlos; Baby Feuerwanze Florinda: Michael A. Pöllmann
Puppen-Werkstatt: Scarlett Köfner & Maribor Puppentheater: Lucijan Jošt, Aleksander Andželović, Mojca Bernjak, Darka Erdelji and Nina Šaberder
Musiker*innen: Maria Mogas Gensana (Akkordeon), Pouyan Kheradmand (Santur), Johanna Kugler (Geige und Bratsche)
Puppen- und Bühnendesign: Scarlett Köfner
Dramaturgie: Carolyn Amann
Technik: Mirza Kebo
Projektleitung: Simon Hajós
Für 2 bis 5 Jahre
35 Minuten
Wann & wo
5. bis 8. Juni 2021
Dschungel Wien: 1070, MuseumsQuartier
Telefon: (01) 522 07 20-20
dschungelwien -> Wiesenträume
Hier unten der Beitrag von schauTV
gedreht von Wolfgang Semlitsch
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