Welche Allergien bei Kindern derzeit am stärksten zunehmen
Es waren die Pollenallergien, die in den vergangenen Jahren immer im Mittelpunkt des Interesses standen: Denn vor allem in den 90er-Jahren gab es einen deutlichen Anstieg. „Mittlerweile scheinen wir aber einen Plafond erreicht zu haben“, sagt Isidor Huttegger von der Uni-Klinik für Kinder- und Jugendheilkunde in Salzburg. Auch Fritz Horak vom Allergieambulatorium Wien-West sieht keinen starken Anstieg mehr.
Doch es gibt einen anderen Bereich an Allergien, wo beide in ihrer täglichen Arbeit eine Zunahme erleben: Jene gegen Nahrungsmittel bei Kindern. „Das wird immer mehr ein Thema“, sagt Horak.
Auch Kleinkinder betroffen
Kuhmilch- und Hühnereiweiß-Allergien sehen die Ärzte schon lange: Aber derzeit nehmen die Nuss-Allergien – in erster Linie gegen Erd- und Cashewnüsse – deutlich zu. „Früher hat man gesagt, Allergien auf Erd- und Baumnüsse sind etwas für das Jugendalter“, erzählt Huttegger: „Aber wir sehen auch bei Kleinkindern eine Zunahme.“ Europaweit sind rund acht Prozent der Kinder von einer Nahrungsmittelallergie betroffen, in Österreich geht er „von drei bis vier Prozent“, aus, „aber gute Zahlen fehlen“.
Die meisten dieser Kinder haben einen Defekt ihrer Hautbarriere – zumeist eine Neurodermitis (atopische Dermatitis): „Zu dieser gehören die trockene, entzündete Haut und ein verändertes Immunsystem, das in Richtung Allergie geht. Zuerst ist die Hauterkrankung da, in der Folge kommt es dann zur Nahrungsmittelallergie.“
Auch Neurodermitis wird häufiger, die Ursachen sind nicht eindeutig geklärt. Damit das Immunsystem dann sensibilisiert (scharf gestellt) wird, reichen Nussallergene im Hausstaub – „oder auch auf der Hand der Mutter“ – aus. Dafür müssen noch keine Nüsse gegessen worden sein.
Bis ins Alter
Allergien gegen Nüsse sind besonders problematisch, sagt Horak: „Bei Hühnereiweiß und Kuhmilch verlieren die meisten Kinder ihre Allergie nach einigen Jahren wieder, werden tolerant. Aber 80 Prozent der Kleinkinder mit Nuss-Allergie behalten diese auch als Erwachsene: Das bedeutet nicht nur eine Einschränkung der Lebensqualität, sondern ist auch potenziell gefährlich.“
Bereits Spuren des Allergie-Auslösers können zu schweren Reaktionen führen: Etwa Juckreiz, Rötungen und Nesselausschlag am ganzen Körper, Übelkeit, Erbrechen, starke Bauchschmerzen bis hin zu erschwerter Atmung und einem allergischen Schock.
Vom Speiseplan streichen
Wichtig ist eine exakte Diagnose, die Therapie heißt schlicht „Elimination“. Also das Nahrungsmittel, das die allergische Reaktion auslöst, vom Speiseplan zu streichen.
Zur Vorbeugung rät Huttegger – wenn möglich – vier Monate ausschließlich stillen und ab dem fünften, sechsten Monat mit der Beikost möglichst viele Lebensmittel einzuführen: „Dann ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass potenziell allergieauslösende Lebensmittel toleriert werden, als wenn man zu lange zuwartet.“ Auch Horak betont: „Vermeiden bringt nichts. Das Immunsystem muss lernen zu unterscheiden, was wirklich gefährlich ist und was nicht.“
Buchtipp für Kinder ab drei Jahren: „Die roten Fünf – Das Bilderbuch zu Nahrungsmittelallergien“, Verlag edition riedenburg, 15,40 Euro. Nähere Infos: www.allergenvermeidung.org
Pollensaison um zehn Tage länger
„Aktuelle Daten zeigen, dass bereits mehr als jeder zweite 12- bis 21-Jährige gegen irgendein Allergen sensibilisiert ist und eine Reaktion des Immunsystems zeigt“, sagt Fritz Horak, Allergiezentrum Wien-West: Der Allergietest ist zwar positiv, es kann, aber muss (noch) keine Symptome geben. Tatsächlich eine Allergie hat jedes vierte bis fünfte Kind, die meisten gegen Pollen.
„Die Länge der Pollensaison in Europa hat in den letzten 30 Jahren um zehn Tage zugenommen.“ Ursache sind steigende Temperaturen durch die Klimaerwärmung. Stressfaktoren wie eine höhere Kohlendioxid-Konzentration, Luftschadstoffe wie Stickoxide, Ozon oder auch Trockenheit führen dazu, dass die Pflanzen mehr Pollen produzieren.
„Und diese Pollen sind auch ‚aggressiver‘: Sie setzen mehr von jenen Eiweißen frei, die Allergien auslösen können.“ Gleichzeitig produzieren die Pflanzen in den Pollen auch verstärkt andere chemische Substanzen – etwa bestimmte pflanzliche Hormone –, die im Körper zu Entzündungsreaktionen führen oder direkt die Schleimhäute schädigen können. Für die Pflanzen sind das Abwehrstoffe, für die Menschen potenzielle Allergieauslöser.
Starke Wechselwirkungen
„Es gibt starke Wechselwirkungen zwischen der Luftverschmutzung, Treibhausgasen und den Pflanzen.“ Bis zu 40 Prozent der Patienten, die an einem unbehandelten „Heuschnupfen“ leiden, entwickeln Asthma: „Eine spezifische Immuntherapie kann dies verzögern, wenn nicht sogar aufhalten.“
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