So sollen schwere Schlaganfälle rascher erkannt werden
Gesicht („Hängt der Mundwinkel auf einer Seite herab?“), Arme („Ist ein Arm gelähmt?“) und Sprache („Kann die Person sprechen? Nur verwaschen?“): Bisher haben Angehörige und Rettungspersonal vor allem auf diese drei Symptome geachtet, wenn es um das Erkennen eines Schlaganfalls ging. Sie sind auch weiterhin ein Alarmzeichen und ein Grund, sofort die Rettung zu rufen. Um aber möglichst früh einen leichten von einem schweren Schlaganfall zu unterscheiden, kommen noch zwei Kriterien hinzu: Ist ein Bein geschwächt? Und ist der Blick starr auf eine Seite?
„Treffen alle fünf Kriterien zu, ist es sehr wahrscheinlich, dass es sich um einen schweren Schlaganfall handelt“, sagte Mittwoch Wilfried Lang, Leiter der Abteilung für Neurologie im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in Wien, im Vorfeld des Welt-Schlaganfall-Tages (29.10.) Eine frühzeitige grobe Unterscheidung zwischen „leicht“ und „schwer“ führt schon jetzt immer öfter dazu, dass die Patienten von Anfang an anders versorgt werden: Sie kommen nicht in die nächstgelegene Schlaganfall-Station (Stroke Unit), sondern gleich in ein spezielles Zentrum, wodurch wertvolle Zeit gespart wird. In diesen Spitälern können große Blutgerinnsel mechanisch mithilfe eines Katheters (er wird über die Leiste zum Gefäßverschluss im Gehirn geführt) herausgezogen werden.
24.000 Schlaganfälle
In Wien gibt es bereits drei derartige Zentren (AKH, Rudolfstiftung, Krankenhaus Barmherzige Brüder), je eines in Innsbruck, Salzburg, Graz, St. Pölten und Tulln. Drei weitere Zentren (Feldkirch, Eisenstadt, Wiener Neustadt) befinden sich im Aufbau. Rund 900 Patienten werden diese Therapie heuer bereits erhalten, bei fünf bis zehn Prozent aller Schlaganfälle (insgesamt 24.000 jährlich in Österreich) ist sie die beste Möglichkeit. Bei 20 Prozent aller Schlaganfall-Patienten wird derzeit in einer der 38 Stroke Units das Blutgerinnsel medikamentös aufgelöst (Thrombolyse) – ein Spitzenwert in Europa, betont Neurologe Stefan Kiechl, Präsident der Schlaganfallgesellschaft.
Kümmererfunktion
Stroke Units tragen wesentlich dazu bei, dass mehr Menschen Schlaganfälle überleben und dadurch weniger Behinderungen davontragen, sagte die Neurologin Elisabeth Fertl, Vorständin der Neurologischen Abteilung in der Krankenanstalt Rudolfstiftung in Wien. Dabei müsse sich eine Stroke Unit aber nicht nur um die Patienten kümmern, sondern habe zusätzlich auch noch eine "Kümmerer-Funktion": Sie müsse auch dafür sorgen, dass der gesamte Versorgungsprozess optimal läuft, die Zusammenarbeit innerhalb des Krankenhauses ebenso wie die Netzwerke außerhalb des Spitals, die Organisation des Rettungswesns oder auch das Qualitätsmanagement, Wissenschaft und Entwicklung.
Lebensstil wirkt
Die Auswertung der Daten von 150.000 Schlaganfallpatienten in Österreich hat gezeigt: 79 Prozent hatten einen zu hohen Blutdruck, 54 zu hohe Blutfette, 26 Prozent Vorhofflimmern und 18 Prozent waren Raucher. Mit fünf Lebensstilmaßnahmen (Rauchstopp, Normalgewicht, mindestens 30 Minuten körperliche Aktivität täglich, geringer Alkoholkonsum, gesunde Ernährung) kann das Schlaganfallrisiko um 80 Prozent gesenkt werden, sagte Julia Ferrari von der Abteilung für Neurologie des Krankenhauses der Barmherzigen Brüder in Wien. Ein erheblicher Anteil der der rund 24.000 jährlichen Schlaganfälle in Österreich wäre vermeidbar.
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