Schnitzel, Pommes: EU-Verordnung soll Gesundheitsrisiko senken
„Kein Mensch braucht EU-Vorgaben, etwa für die Zubereitung von Schnitzel und Pommes“: Diese Aussage von Bundeskanzler Sebastian Kurz in einer Stellungnahme gegenüber der APA hat heftige Diskussionen ausgelöst. Kurz bezieht sich dabei offenbar auf die seit April 2018 gültige EU-Verordnung „zur Festlegung von Minimierungsmaßnahmen und Richtwerten für die Senkung des Acrylamidgehalts in Lebensmitteln“.
Acrylamid bildet sich ab Temperaturen von 120 ° C beim Rösten, Backen, Braten oder Frittieren von stärkehaltigen Lebensmitteln aus der Aminosäure Asparagin und aus Zuckern. Dabei geht es vor allem um Produkte auf Kartoffel- oder Getreidebasis sowie Kaffee. Acrylamid wirkt im Tierversuch krebserregend und schädigt das Erbgut. Von der Agentur für Krebsforschung (IARC) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wurde Acrylamid als „wahrscheinlich krebserregend“ für den Menschen eingestuft. Die Verordnung verpflichtete Unternehmen, verbindliche Maßnahmen zur Reduzierung des Acrylamidgehalts zu ergreifen und neue gesenkte Richtwerte einzuführen.
Erwachsene nehmen Acrylamid laut einer Erhebung der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) am meisten über Kartoffelchips (27 Prozent der Gesamtmenge), Lebkuchen (18 %), Rösti und Kroketten (16 %) sowie Pommes (15 %) zu sich, Kinder über Chips (30 %), Pommes (22 %), Knäckebrot (10 %) sowie Keks und Zwieback (9 %).
„Durch die Verordnung kam es zu einer Reduktion der Acrylamid-Werte in der Lebensmittelherstellung“, sagt Alexander Hengl vom Wiener Marktamt: So hätten Großbäckereien die Backtemperaturen gesenkt.
Schnitzel oder Pommes seien hingegen bei der Herstellung "so gut wie gar nicht" von zu hohen Acrylamid-Werten betroffen: "Niemand will dunkle Pommes oder ein dunkles Schnitzel" - je dünkler ein Lebensmittel nach dem Frittieren oder dem Backen ist, umso größer das Risiko für einen erhöhten Acrylamid-Gehalt.
Hohe Acrylamid-Werte gebe es hingegen immer wieder bei kleineren Kaffeeröstereien und diversen Zwiebacksorten. "Aber durch die EU-Verordnung hat sich vieles gebessert", betont Hengl. "Es hat einen gemeinsamen Prozess von uns mit der Industrie gegeben und heute ist Acrylamid in der Industrie kein Thema mehr. Diese Verordnung hat etwas bewirkt."
Die AGES hat im Vorjahr 68 industriell gefertigte Lebensmittel auf ihren Acrylamidgehalt untersucht, darunter Babykekse, Vollkornkekse, Tortenböden und Kaffee: Alle Produkte hielten die Richtwerte ein.
"Industrie hat viele Maßnahmen gesetzt"
„Die Nahrungs- und Genussmittelindustrie fordert nicht, die Verordnung aufzuheben“, sagt Fachverbandssprecher Oskar Wawschinek: „Die Idee hinter der Verordnung war, die Gesundheit der Menschen zu schützen und ein mögliches Risiko durch Acrylamid zu minimieren.“ Die heimische Industrie habe viele aufwendige Aktivitäten gesetzt, um die neuen Richtwerte einzuhalten: Etwa für Chips Kartoffelsorten mit geringerem Stärkegehalt zu verwenden. "Aus Sicht der Industrie würde sich ja auch nichts ändern, wenn es die Verordnung nicht mehr gibt. Die Maßnahmen sind ja bereits gesetzt."
Wichtig wäre es, wenn auch die Konsumenten zuhause ein Bewusstsein für Acrylamid hätten. Wawschinek: "Der Leitsatz muss lauten: Vergolden statt bräunen."
Die Österreichische Gesellschaft für Ernährung (ÖGE) gibt folgende Tipps zur Senkung der Acrylamid-Belastung zuhause:
- Je stärker Lebensmittel gebräunt sind, desto mehr Acrylamid ist darin enthalten. Deshalb sollte eine zu starke Bräunung der Produkte vermieden werden.
- Die Oberfläche nicht zu sehr austrocknen lassen.
- Generell beim Backen, Braten und Frittieren von Kartoffel- und Getreideprodukten möglichst geringe Temperaturen und kurze Garzeiten verwenden.
- Acrylamid bildet sich vor allem an der Oberfläche des Lebensmittels. Dickere Pommes und Kartoffelstücke sowie großes Gebäck enthalten weniger Acrylamid, da sie im Verhältnis eine kleinere Oberfläche zum Volumen aufweisen. Deshalb sollte vermehrt zu diesen Produkten gegriffen werden.
- Bei schonenden Garverfahren wie Dünsten, Kochen und Dampfdruckgaren von Kartoffeln entstehen keine nennenswerten Mengen an Acrylamid. In Kroketten und Gratins entstehen aufgrund des hohen Wassergehaltes nur geringe Mengen an Acrylamid.
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