Neue Herzklappe: Wann ist dafür keine Operation notwendig?

Neue Herzklappe: Wann ist dafür keine Operation notwendig?
In bestimmten Fällen können über Katheter eingesetzte Klappen den chirurgischen Eingriff ersetzen.

Christian Hengstenberg ist Leiter der klinischen Abteilung für Kardiologie von MedUni / AKH Wien.

KURIER: Welche Funktion haben die Herzklappen?

Christian Hengstenberg: Sie sorgen dafür, dass das Blut in die richtige Richtung strömt.Sie öffnen und schließen sich mit jedem Herzschlag– etwa einmal pro Sekunde. Bei einer Herzklappenerkrankung oder einem Herzklappenfehler funktioniert das Öffnen und Schließen nicht richtig und es kommt zu einer Störung im Blutstrom. Die häufigste Erkrankung ist die Stenose (Verengung) der Aortenklappe zwischen linker Herzkammer  und Aorta. Schätzungen zufolge sind zirka 115.000 der Über-65-Jährigen in Österreich von einer Herzklappenerkrankung betroffen. Leider ist es aber so,dass die Erkrankung oft erst relativ spät diagnostiziert wird. Mit unserem neuen  Verein „Meine Herzklappe“ (www.meineherzklappe.at) zur Information über Herzklappenerkrankungen wollen wir bei  Patienten und Ärzten das Bewusstsein für diese Erkrankung schärfen.

Ist das Bewusstsein zu gering?

Symptome wie abnehmende Leistungsfähigkeit und Kurzatmigkeit werden von den Patienten oft lange nicht als bedenklich wahrgenommen, sondern als normales Altersphänomen interpretiert. Und  wir stellen bei unseren Patientinnen und Patienten fest, dass sie bei Arztterminen nicht regelmäßig mit dem Stethoskop abgehört werden , dabei kann das  einen  ersten Hinweis auf eine Klappenerkrankung geben:  Ein charakteristisches Herzgeräusch kann Folge eines unregelmäßigen Blutflusses durch eine verengte oder undichte Klappe sein, zur Abklärung ist ein Herzultraschall notwendig.

Neue Herzklappe: Wann ist dafür keine Operation notwendig?

Christian Hengstenberg, Leiter der Klinischen Abteilung für Kardiologie, AKH / MedUni Wien.

Wie sieht die Behandlung aus, wenn eine Verengung der Aortenklappe diagnostiziert wurde?

Zunächst ist wichtig zu betonen: Ohne Ersatz der defekten Herzklappe werden Symptome wie Atemnot stärker, es kann zu Herzrhythmusstörungen und – selten, aber doch – auch zum plötzlichen Herztod kommen.   Für den Klappenersatz gibt es zwei Methoden:

Operativer Aortenklappenersatz: Hier kommt es zu einer Öffnung des Brustkorbs – heute meist minimalinvasiv mit nur einem kleinen Schnitt, wodurch die Patienten rascher wieder mobil sind.  Das Herz muss unter Vollnarkose kurzfristig stillgelegt werden, eine Herzlungenmaschine übernimmt seine Funktion.

Transkatheter-Aortenklappen-Implantation: Dabei wird –  in den meisten Fällen   über die Leistenarterie  – ein dünner Kunststoffschlauch (Katheter) in das Herz eingeführt. Durch diesen wird dann die neue Herzklappe an die  Stelle der alten Aortenklappe vorgeschoben. Die erkrankte Herzklappe wird durch die neue verdrängt. Das Herz muss nicht stillgelegt werden, in der Regel genügt eine Sedierung  („Dämmerungsnarkose“).

Wann kommt welche Methode zum Einsatz?

Bisher war es so, dass die Katheter-Methode vor allem bei älteren Patienten – zirka ab 80 Jahren – und einem hohen Risiko bei einer klassischen  Operation – zum Einsatz kam. Denn die Haltbarkeit einer TAVI-Klappe ist derzeit  nur für sieben bis maximal zehn Jahren gut belegt, Daten darüber hinaus gibt es noch nicht. Heuer zeigten neue Studienergebnisse, dass auch bei Patienten mit einem geringen Komplikationsrisiko  bei einem chirurgischen Eingriff die Kathetermethode die Gefahr eines Schlaganfalls oder vorzeitigen Todes um 50 Prozent reduziert – im Vergleich zu einer Operation. Deshalb gibt es die Tendenz, auch  Patienten zwischen 70 und 80 Jahren mit niedrigem OP-Risiko zunehmend so zu behandeln.  Bei Unter-70-Jährigen ist derzeit noch weiterhin die OP die Methode der Wahl. Letztlich kommt es immer auf den Gesamtzustand des Patienten an – ganz wesentlich sind Begleiterkrankungen. Und die Kathetermethode hat auch Nachteile.

Welche sind das?

Bei der Katheter-Implantation wird ja die alte Klappe zur Seite gedrückt – dadurch kann das Reizleitungsgewebe des Herzens gestört werden.  Herzrhythmusstörungen werden dadurch häufiger, die aber mit der Implantation eines Herzschrittmachers sehr gut behandelt werden können. Deshalb aber benötigen Patienten  mit einer TAVI-Klappe drei bis vier Mal so häufig  einen Herzschrittmacher. Vor allem durch das Herausziehen des Katheters sind auch Gefäßverletzungen und Blutungen in der Leiste häufiger.

Wovon hängt letztlich die Entscheidung ab?

Am Wiener AKH – aber auch in vielen anderen Spitälern – gibt es sogenannte Heart Teams: Herzchirurgen und Kardiologen sprechen gemeinsam jeden einzelnen Fall durch und entscheiden dann aufgrund aller verfügbarer Daten mit dem Patienten gemeinsam. Denn nicht zuletzt ist auch der  Patientenwunsch selbst maßgeblich: Wenn ein gut informierter Patient sagt, er lässt sich nicht operieren, dann ist das zu akzeptieren. Das ist ja auch der Sinn des von mir und meinem Innsbrucker Kollegen Othmar Pachinger gegründeten Vereins, die Patienten objektiv umfassend aufzuklären.

Gibt es eine Altersobergrenze für Herzklappeneingriffe?

Nein, das  Alter ist nicht ausschlaggebend. Das Wesentliche ist der Gesamtzustand des Patienten. Wir haben  vor kurzem auch Über-90-Jährigen  neue  TAVI-Herzklappen implantiert, den Betroffenen hätten Sie nie angesehen, dass sie bereits über 90 sind. Absolutes unteres Limit für TAVI-Klappen sind derzeit 60 Jahre, bei jüngeren gibt es praktisch nur chirurgische Eingriffe, und auch zwischen 60 und 70 überwiegen diese noch eindeutig. Jährlich werden in Österreich bei rund 2500 Menschen Eingriffe an  einer Herzklappe durchgeführt (mit beiden Verfahren).

Dr. Christian Hengstenberg am Telefon ( 01 / 526 57 60): Mi., 4.9., 12 bis 13 Uhr; eMail: gesundheitscoach@kurier.at

 

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