Milchzähne: Wenn bei Sechsjährigen schon alles schwarz ist

Silvia Laudenbach: „Viele Eltern wissen zum Beispiel nicht, welche Bedeutung Milchzähne für das bleibende Gebiss haben“
Eine Zahnärztin schreibt via Facebook über kaputte Kindergebisse und triftt damit offenbar einen Nerv.

Es war ein Zufall: „Ich hatte an diesem Tag einen sechsjährigen Buben in meiner Ordination, der keinen einzigen gesunden Zahn mehr hatte“, erzählt die Wiener Zahnärztin Silvia Laudenbach. „Und zufälligerweise ist am selben Tag mein eigener Sohn sechs Jahre alt geworden. Da sind mir die Tränen gekommen – und ich habe am Abend voller Emotionen diesen Text geschrieben.“ Als Facebook-Posting stieß ihr „dringender Appell an alle Eltern“, auf die Zähne ihrer Kinder zu achten, auf unerwartete Resonanz: Bis Mittwochabend wurde er 2000-mal geteilt und mehr als 400-mal kommentiert.

Milchzähne: Wenn bei Sechsjährigen schon alles schwarz ist

„Immer wieder sagen mir Eltern zum Beispiel: ,Ich habe nicht gewusst, dass die Milchzähne nicht egal sind‘. Dabei sind sie enorm wichtig: Sie zeigen dem bleibenden Zahn, wo er herauskommen muss. Wenn sie fehlen, ist das Risiko für Fehlstellungen und die Notwendigkeit einer Zahnspange groß.“

Unterschätzter Eistee

Oder das Thema Eistee: „Da kennen viele den Unterschied zu herkömmlichem, ungezuckertem Tee nicht.“

55 Prozent der Sechsjährigen in Österreich sind heute kariesfrei. In den vergangenen zehn Jahren konnte dieser Prozentsatz zwar um zehn Prozent gesteigert werden. Das Ziel der Weltgesundheitsorganisation – 80 Prozent der Sechsjährigen kariesfrei bis 2020 – wird österreichweit aber nicht erreicht werden. Laudenbach bringt ein weiteres Beispiel: „Zu mir kommen auch Eltern, die sich mit ihrem Kind eine Zahnbürste teilen – und ich muss sie darauf hinweisen, dass Karies eine bakterielle Erkrankung und damit ansteckend ist.“

 

Probleme mit der Zahngesundheit gebe es in allen gesellschaftlichen Schichten – nicht nur dort, wo der Bildungsgrad niedrig ist: „Eltern fragen mich auch, ob es nicht die Autonomie ihres Kindes stört, wenn man ihnen gegen ihren Willen die Zähne putzt. Und ich antworte: ,Nein, es ist zwar mühsam, gegen den Willen des Kindes Zähne zu putzen, aber es ist ohne Alternative.‘“

Verunsichert

Viele Eltern seien auch von der Diskussion über Fluorid verunsichert: „Alle Daten zeigen aber, dass die normale Anwendung fluoridhältiger Zahnpasta unbedenklich ist. Ohne sie würden noch mehr Kinder Kariesprobleme haben.“

Natürlich gebe es auch Eltern, denen alles zu mühsam sei „und die dann zum Beispiel die Kindergartenpädagoginnen für den schlechten Zahnzustand ihrer Kinder verantwortlich machen wollen – oder verärgert sind, dass ich keinen Zauberstab habe, mit dem ich rasch alles sanieren kann.“

Aufwendig und teuer

Und dieses Sanieren kann teuer und aufwendig werden: „Bei kleinen Kindern, die nicht still halten, kann eine Narkose notwendig sein – die Zentren, die solche durchführen, sind aber meist überlastet.“ (siehe unten)

 

 

Milchzähne: Wenn bei Sechsjährigen schon alles schwarz ist

Aufklären ist wichtig

Laudenbach setzt sich dafür ein, dass im Mutter-Kind-Pass rund um den ersten Geburtstag eine Beratung durch einen Zahnarzt verpflichtend verankert wird. „Dabei ginge es nicht um eine Behandlung der Kinder, sondern um die Aufklärung der Eltern.“

Auch die Zahnärztekammer fordert zahnärztliche Früherkennungsuntersuchungen. Im Gesundheitsministerium heißt es dazu, dass auf Expertenebene diskutiert wird, eine Elternberatung zum Thema Zähne aufzunehmen. Kinderärzte sollten aber schon jetzt bei den vorgesehenen Untersuchungen auch eine Inspektion der Mundhöhle vornehmen.

Narkosen an der Tagesordnung

Die Zahnklinik „sleep and smile“ in Wien-Liesing ist eine von drei  Einrichtungen in Wien, die Kinder unter Vollnarkose behandelt und Patienten aller Kassen nimmt. „Mit einer Wartezeit von vier Wochen geht es bei uns relativ schnell“, sagt die Leiterin Lydia Busenlechner. Andernorts warte man oft  einige Monate. Aber muss es immer eine Vollnarkose sein? „Das Problem ist vielschichtig“, sagt die Zahnärztin: „Viele  Eltern haben mit ihren Kindern schon mehrere Ordinationen aufgesucht, oder die Kleinen haben große Schmerzen, weil die Schäden schon fortgeschritten sind. Wenn wir dann die erste Zahnbehandlung vornehmen, ist die Vollnarkose die einzige Möglichkeit, die Patienten stressfrei zu behandeln.“

An die Praxis gewöhnen

Natürlich sei es besser, wenn man die Kinder allmählich an den Zahnarztbesuch gewöhnt, indem man sie mit der Praxis vertraut macht. „Wenn beim vierten Arztbesuch dann ein kleines Loch zu behandeln ist,   ist es für das Kind kein so traumatisches Erlebnis.“ In ihrer Praxis beobachtet Busenlechner, dass immer mehr Kinder kariöse Milchzähne haben: „Hier hilft Aufklärung: Kinder können nicht alleine Zähne putzen. Fluorhaltige Zahnpasta und Tabletten sind eine gute Prophylaxe. Zahnseide ist ein Muss.“

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