Langlaufen: Gar nicht so einfach, wie es aussieht

Langlaufen: Gar nicht so einfach, wie es aussieht
Langlaufen ist zum Trendsport geworden. Was ihn so gesund macht und warum man ihn ausprobieren sollte. Eine Reportage.

„Ach, du nimmst dir einen Trainer fürs Langlaufen?! Ist das denn wirklich notwendig? Kann doch nicht schwierig sein.“ Solche und ähnliche Reaktionen habe ich gehört, als ich von meinen Ambitionen erzählt habe, Langlaufen lernen zu wollen.

„Der größte Anfängerfehler ist der, Langlaufen zu unterschätzen. Die meisten, die es versuchen, haben ein echtes Aha-Erlebnis, weil es wesentlich anstrengender und auch anspruchsvoller ist, als vermutet. Vor allem das Gleichgewicht zu halten fällt anfangs schwer“, erklärt mir Langlauftrainer Niklas Brandstätter, während wir ein kleines Aufwärmtraining absolvieren, indem wir die Gelenke mobilisieren und die Muskeln aufwärmen.

Langlaufen: Gar nicht so einfach, wie es aussieht

Niklas Brandstätter, Langlauftrainer in Ramsau/Dachstein

In meinem Winterlaufdress mit ausgeliehenen Schuhen, Langlaufskiern und Stöcken stehen wir an der Übungsloipe im Langlaufstadion von Ramsau am Dachstein. Wenige Meter entfernt findet hier der letzte Bewerb des FIS Weltcups in der Nordischen Kombination statt und die Top-Athleten skaten mit kraftvollen Stockeinsätzen über die Ziellinie – Langlaufen in seiner sportlich prachtvollsten Form.

Mir rät Niklas, mich zu konzentrieren, während ich mit nur einem Ski die Übungsspur abgehe, um ein Gefühl für die dünnen Ski und das Gleiten zu bekommen. „Man muss sich auf eine neue Bewegung einlassen, das ist das Geheimnis“, erklärt mir Niklas, während er sie mir vormacht. Nach einigen Längen lege ich den zweiten Ski an und greife nach beiden langen Stöcken. Das Gleichgewicht zu halten, ist jetzt die größte Herausforderung.

Vom Vorfuß her kraftvoll abdrücken – es will mir nicht auf Anhieb gelingen, aber Niklas bestätigt, dass es mir wie den meisten seiner Schüler geht. Nur durch die Übung ist Langlaufen zu erlernen und zu perfektionieren.

 

Im Trend

Die Zeiten, in denen dem Wintersport ein verstaubtes Image angehaftet ist, sind seit einiger Zeit definitiv vorbei, wie auch der Tourismusverband bestätigen kann. Langlaufen gewinnt mit jedem Jahr mehr an Beliebtheit.

Dass der Sport in der Zeitgeist-Ecke angekommen ist, zeigt unter anderem, dass er unter neuem Namen firmiert: Nordic Cruising. Die Profis sprechen aber nach wie vor von Langlaufen oder Skaten, das sind die beiden Langlaufstile. Den Hype verdankt der Sport nicht zuletzt dem Umstand, dass er zu den effektivsten zählt: Es werden 95 Prozent des Muskelapparates aktiviert – alles macht mit: Arme, Beine, Rücken, Bauch. Langlaufen steigert die Durchblutung, stärkt Herz und Kreislauf und ist somit ideal bei Venenproblemen. Zudem schult es die Balance und Koordination. „Durch das Gleiten ist Langlaufen außerdem wesentlich gelenkschonender als etwa Laufen und die Verletzungsgefahr ist sehr gering“, erklärt Gerold Sattlecker von der Sportuniversität Salzburg.

Langlaufen: Gar nicht so einfach, wie es aussieht

Langlaufen liegt im Trend.

Erste Versuche

Rechtes Bein und linker Arm, linkes Bein und rechter Arm – eigentlich sind es die gleichen Diagonalbewegungen wie beim Gehen, und tatsächlich sieht es so aus, als würde ich über die Loipe stolzieren, aber zum Gleiten reicht es noch nicht. „Du machst den Fußabstoß zum falschen Zeitpunkt“, korrigiert mich Niklas.

Es läuft nicht rund bei mir, der rechte Daumen beginnt zu schmerzen, weil ich den Stock zu verkrampft halte. Ein typischer Anfängerfehler, wie mir erklärt wird. 45 Minuten sind vorbei, ich bin schweißgebadet und genervt, weil ich mir so ungeschickt vorkomme, als ein Sportler vorbeiläuft – elegant und kraftvoll, es hat den Anschein, als schwebe er.

„Das Schwierigste beim Langlaufen ist mit Sicherheit eine gute Gleitphase. Das heißt, lange auf einem Ski gleiten zu können, um so relativ kraftsparend einen guten Vortrieb zu erhalten“, so Sportexperte Sattlecker im Interview. Mir rät Niklas, locker zu bleiben …

Stilkunde

Grundsätzlich unterscheidet man beim Langlaufen zwischen dem klassischen und dem freien Laufen (Skaten) und hier wiederum zwischen den verschiedenen Techniken beim Gleiten, Laufen, Bremsen, Abfahren und Stockeinsatz. Für Anfänger bietet sich die klassische Variante an, da der diagonale Grundschritt einfach zu erlernen ist und der Läufer eine parallele Klassikspur als Unterstützung hat.

Die Skatingtechnik ist die sportlichere und schnellere Variante, die mehr Gleichgewichtsfähigkeit erfordert. Was viele nicht wissen: Jede Technik hat ihr eigene Ausrüstung bei Ski und Schuh. Man sollte mit Skatingschuhen nicht langlaufen und umgekehrt. Für Einsteiger gibt es allerdings Allroundmodelle.

Im Stadion nebenan brandet Jubel auf, die Siegerehrung steht an. Währenddessen liege ich im Schnee und übe das Aufstehen. Mit Langlaufskiern aufzustehen, ist wegen der hinten offenen Bindung ein echter Kraftakt. Wer schon mal auf auf Inlinern oder Schlittschuhen gestanden ist, hat es etwas einfacher, alpine Skifahrer eher nicht.

Langlaufen: Gar nicht so einfach, wie es aussieht

Rund 800 Kalorien/Stunde werden beim Langlaufen verheizt und der ganze Körper trainiert.

Das über den Schnee "Cruisen" besteht aus insgesamt zwölf verschiedenen Bewegungsarten. Davon muss man sich aber nicht einschüchtern lassen. Für den Anfang im klassischen Stil reicht der Diagonalschritt, dazu ein bisschen Abfahrtstechnik, Bremsen und vielleicht der Doppelstockeinsatz.

Was den Energieaufwand angeht, ist Langlaufen ein Spitzenreiter: Es gibt praktisch keine Sportart an Land, die so viel Muskulatur beansprucht wie Langlaufen, um die Technik überhaupt umsetzen zu können. Was aber nicht immer mit vermeintlich hohen Anstrengungen einhergeht: „Mit guten technischen und koordinativen Fähigkeiten kann man ganz ökonomisch langlaufen – und dann wird dieser Sport zu einem Hochgenuss“, verspricht der Sportexperte.

Mittelfeld

Nach zwei Stunden bin ich erst mal geschafft, aber auch glücklich. Talentmäßig befinde ich mich im soliden Mittelfeld, muntert mich Niklas auf. Er hat mir die Grundkenntnisse beigebracht, mich beraten, mir vorgezeigt und Fehler gleich korrigiert, was besonders wichtig ist. „Wenn man sich etwas falsch anlernt, ist das später schwierig wieder wegzukriegen.“ Ich kann nur jedem raten, der sich fürs Langlaufen interessiert, einen Kurs zu machen, es zahlt sich aus. In der Regel reichen drei mal zwei Stunden aus, um sicher auf den Skiern zu stehen und voranzukommen. Ab dann kann man regelmäßig seine Runden ziehen, allein oder in der Gruppe – Langlaufen ist auch in seiner Vielseitigkeit unschlagbar.

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