Hitzewelle: Auswirkungen auf Körper und Psyche werden unterschätzt
Tropische Temperaturen, hohe Luftfeuchtigkeit – und trotzdem eine trockene Haut: „In tropischen Regionen sieht man niemanden sichtbar schwitzen“, sagt der Physiologe Wolfgang Marktl. „Dabei schwitzen die Tropenbewohner sehr wohl: Aber so effizient und ökonomisch, dass der Schweiß, den sie an die Körperoberfläche transportieren, sofort verdunstet.“
Bei der Verdunstung des Schweißes auf der Haut wird Verdunstungskälte produziert und dem Körper Wärme entzogen. Ab 30 Grad Außentemperatur könne sich ein Mensch gegen eine Überwärmung nur mehr dadurch wehren, dass er Schweiß verdunstet. „Schweiß empfinden viele Menschen zwar als unangenehm – aber er ist lebensnotwendig.“
Mit jeder weiteren Hitzewelle in einer Saison sei der menschliche Organismus daran besser angepasst und sind die gesundheitlichen Auswirkungen geringer. Wobei es bei dieser Anpassungsfähigkeit große Unterschiede gebe: „Trainierte Menschen mit guter Ausdauer sind im Allgemeinen hitzeresistenter.“
Bei älteren Menschen wiederum ist die Anpassungsfähigkeit weniger gut ausgeprägt. Sie schwitzen auch weniger und können dadurch Wärme schlechter abführen. Aber auch Medikamente können den Flüssigkeitshaushalt beeinträchtigen und das Schwitzen reduzieren.
Schlechte Blutversorgung
„Bei großer Hitze leitet der Körper das Blut an die Peripherie und versucht so die Wärme über die Haut loszuwerden“, sagt Mediziner Peter Wallner von der Abteilung für Umwelthygiene und Umweltmedizin des Zentrums für Public Health der MedUni Wien. „Dann kann das Blut aber in anderen Organen – etwa dem Herz oder dem Gehirn – fehlen.“
Der erhöhte Aufwand des Körpers für die ausreichende Kühlung bedeutet eine zusätzliche Belastung, etwa für das Herz, besonders auchbei Menschen mit bereits bestehender Herzerkrankung. Diese Belastungen haben auch Auswirkungen auf die Psyche: Kühlt es selbst in der Nacht nicht ab, leidet überdies die Schlafqualität, und fehlt es dem Körper an Erholungsphasen. Marktl betont: „Psyche und Körper kann man hier nicht trennen, eines wirkt auf das andere. Denn der Mensch ist ein dynamisches System.“
Studien an der MedUni Wien haben überdies gezeigt, dass die Auswirkungen auf die Psyche bisher unterschätzt wurden: So komme es während einer Hitzewelle vor allem bei älteren oder geschwächten Menschen zu einer deutlichen Zunahme von Ängsten und Depressionen. Man könne der Hitze nicht mehr entfliehen und fürchte sich bereits vor der nächsten Hitzewelle.
Die gesundheitlichen Belastungen durch Hitzewellen müssen ernster genommen werden, betont Wallner: „Die Unterversorgung innerer Organe mit Blut kann zu Entzündungen führen. Eine Aktivierung des Blutgerinnungssystems kann das Herzinfarkt- und Schlaganfallrisiko erhöhen. Es gibt viele Auswirkungen der Hitze auf den Körper, die zum Teil noch viel zu wenig erforscht sind.“
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