Warum Menschen vor der Hitze in ein Shopping Center fliehen
Das Shopping Center Nord mitten in einer Floridsdorfer Betonwüste ist für ihn zu seinem zweiten Wohnzimmer geworden: „Hier finde ich immer Ansprache“, erzählt Paul Zimmerle, während er in einem der bereitgestellten Liegestühle Platz nimmt.
Der alleinstehende Pensionist aus einem nahe gelegenen Gemeindebau fährt jeden Tag mit seinem Radl in das SCN: „Beim McDonald’s kennen sie mich, und in der Apotheke sowieso.“
„Ein tolles Angebot“
Am Mittwoch Punkt 12 Uhr freut sich der gelernte Tischler über Anderes. Da eröffnet das Rote Kreuz erneut sein „Cooling Center“ – in einem riesigen leer stehenden Geschäftslokal im Obergeschoß: „Das ist ein tolles Angebot für alle, die unter der Hitze leiden“, betont Zimmerle. „Die Liegen sind super, das kühle Wasser ist gratis, und die Leute vom Roten Kreuz sind sehr nett.“
Kein böses Wort kommt dem Besucher bei 24 Grad Celsius über die Lippen. Was auch Alexander Gratz, der beim Wiener Roten Kreuz den Bereich Katastrophenhilfe leitet, sichtlich freut. Durch die Hitze kommen die Leut’ zusammen. Tatsächlich geht es ihm nicht nur um die Abkühlung des Körpers, sondern auch um die Beruhigung der Gedanken. Und um einen kühlen Kopf für möglichst viele Menschen.
Faktum ist, dass sich im Flächenbezirk Floridsdorf viele Menschen keine Klimaanlage leisten können – und jetzt zum Monatsende kein Geld mehr für cooles Shopping und einen gekühlten Drink im Börsel haben.
Die Idee für die Einrichtung wurde vor 15 Jahren erstmals diskutiert, sie verschwand dann in der Schublade und feierte im Vorjahr ihr Debüt in dem SCN. Das Cooling Center öffnet an Werktagen dann, wenn im Freien über 30 Grad gemessen und für die Nacht mehr als 20 Grad erwartet werden. „Zwei, drei Stunden im Kühlen hilft vor allem chronisch Kranken, Kindern und älteren Menschen“, so Gratz.
Eine kurze Verschnaufpause legen hier auch Michael und Patricia Trexler ein. Das junge Ehepaar ist auf der Suche nach einer neuen Wohnzimmercouch ins Schwitzen gekommen. Der Gedanke ans Wohnzimmer („dort haben wir 28, 29 Grad“) freut Patricia nicht. In der Lagerhalle, in der ihr Mann arbeitet, werden sogar bis zu 50 Grad gemessen.
Über eine Klimaanlage in ihrem Kleingartenhaus verfügen Herbert und Hedwig Zöch. „Aber die hilft uns halt unterwegs nix“, sagt sie. „Insofern kommt uns älteren Leuten dieses Angebot sehr gelegen“, ergänzt er.
Ähnliche Angebote gibt es in Paris und Chicago. Und in Kürze will die Gebietsbetreuung am Max-Winter-Platz in Wien 2 ihre gekühlten Räumlichkeiten ebenfalls öffnen.
Mehr Infos unter: https://www.roteskreuz.at/wien/katastrophenhilfe/cooling-center/klimawandel-und-hitze/
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