Thema Fehlgeburt: Trauer, Scham und verdrängte Gefühle

Frustration gesture
Es ist wichtig, offen über das Thema "Fehlgeburt" zu sprechen - weil es viele Frauen betrifft. Ein persönlicher Bericht.

Hilaria Baldwin (35), Ehefrau von US-Schauspieler Alec Baldwin (61) erzählt auf Instagram von ihrer Fehlgeburt. "Es gab keinen Herzschlag bei der heutigen Untersuchung … es ist also vorbei", schreibt die vierfache Mutter und postet dazu ein Foto ihrer Familie. Zuvor hatte Baldwin bereits ihre Zweifel hinsichtlich ihrer Schwangerschaft in den sozialen Medien formuliert und wurde dafür vielfach kritisiert. Doch Hilaria Baldwin hatte ein Anliegen.

Das Thema "Fehlgeburt" ist nach wie vor tabuisiert, man spricht nicht gerne darüber. "Ich möchte daran mitwirken, dass sich die Einsicht durchsetzt, dass Fehlgeburten etwas Normales sind und nicht stigmatisiert werden sollten", schreibt sie dazu.

Immer noch ist es nicht selbstverständlich, mit diesem Thema offen umzugehen. Es ist zwar schon lange her, aber ich selbst habe erlebt, wie es ist, ein Kind im Bauch wachsen zu spüren und in der 12. Schwangerschaftswoche zu erfahren, dass es keinen Herzschlag gibt. Das tut  sehr weh, man weiß nicht, wie man es anderen sagen soll – den Schwiegereltern, den Freundinnen, den Arbeitskollegen. Ich habe mich schließlich entschlossen, ganz offen damit umzugehen, meine Trauer zu zeigen und darüber zu sprechen.

Da passierte Interessantes: Andere Frauen, auch viele Ältere, die Omas, die Tanten, Freundinnen öffneten sich und erzählten ebenfalls von ihren Fehlgeburten. Manche hatten sogar mehrere. Es schien, als würde ein Mantel des Schweigens plötzlich gehoben. Wir tauschten uns aus, sprachen über die Gefühle, die mit so einem Erlebnis verbunden sind, und ja: weinten gemeinsame Tränen. Gleichzeitig war uns allen klar, dass so ein Ende zwar schmerzt, aber es trotzdem Hoffnung gibt. Ich bin bald darauf Mutter einer wunderbaren Tochter geworden.

Scham und Schuld

In den Gesprächen hat sich gezeigt, wie sehr eine Fehlgeburt nach wie vor mit Gefühlen wie Schuld oder Scham verknüpft ist, man fühlt sich verantwortlich dafür. Michelle Obama schrieb darüber in ihrer Biografie "Becoming": "Ich hatte das Gefühl, versagt zu haben, weil ich nicht wusste, wie häufig Fehlgeburten sind" – und: "Niemand redet darüber." Genauso habe auch ich es erlebt, und das ist fast 20 Jahre her. Tatsache ist: Zirka jede sechste Schwangerschaft endet frühzeitig. Man fragt sich: Warum ich? Was ist falsch?

Dazu kommt ein großer Schmerz, den viele Außenstehende kaum nachvollziehen können. In diesem Moment hilft nichts – auch nicht Sätze wie "Du hast ja schon ein gesundes Kind" oder "Du wirst sehen, beim nächsten Mal klappt es bestimmt." Nein. In diesem Moment ist eine Hoffnung verloren gegangen, und das fühlt sich so an als wäre ein Teil von einem selbst gestorben. Die Bindung zu dem Wesen im Bauch ist nämlich von Anfang an da. Schlimm ist auch, dass von betroffenen Frauen erwartet wird, dass sie rasch wieder "funktionieren" – also ihre Arbeit aufnehmen und so tun als wäre nichts gewesen.

Doch um so ein Ergeignis zu verarbeiten, braucht es eine gewisse Zeit. Zeit, Abschied zu nehmen, zu trauern und das Erlebte zu integrieren. Im Jahr 2015 machte auch Facebook-Gründer Mark Zuckerberg das Thema öffentlich. Seine Frau hatte drei Fehlgeburten: "Es ist eine einsame Erfahrung", schrieb Zuckerberg. Gleichzeitig meinte er, dass es in einer "offenen und vernetzten Gesellschaft" möglich sein müsste, so eine Erfahrung mit anderen zu teilen.

Schutzmechanismus der Natur

Die Gefahr, ein Kind zu verlieren, ist speziell am Anfang einer Schwangerschaft sehr groß und wird mit ihrer Dauer zunehmend kleiner. Viele Frauen verlieren ihr Kind bereits in der vierten oder fünften Schwangerschaftswoche, ohne dass sie es bemerken. Etwa 80 Prozent der Fehlgeburten passieren in den ersten 12. Schwangerschaftswochen. Mediziner gehen davon aus, dass der Embryo nicht lebensfähig gewesen wäre, der frühe Abort ist ein Schutzmechanismus der Natur.  Bei etwa fünf Prozent der Frauen kommt es zu wiederholten Fehlgeburten, man spricht dann von einem eigenen Krankheitsbild namens "habitueller Abort".

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