Was macht ein Foodscout, Herr Kägi?

Wenn Richard Kägi für Gäste kocht, dann setzt er meist auf das Einfache
Dieser Mann weiß fast alles über gutes Essen, gutes Trinken und ein gutes Leben.

Er hat einen Job, von dem viele Menschen nur träumen können. Wenn sich Richard Kägi in den Flieger setzt, dann meist, um irgendwo in der Welt zu essen oder neue Delikatessen zu entdecken. Der 61-jährige Schweizer mit österreichischen Wurzeln ist „Foodscout“ und spürt für das Unternehmen „Globus Delicatessa“ Produkte auf. Ihm wird nicht nur ein Gespür für das Besondere nachgesagt, er liebt es auch, selbst zu kochen.

KURIER: Sie haben österreichische Wurzeln?

Richard Kägi: Ja. Meine Mutter kam aus dem Pongau, aus Schwarzach St. Veit. Ich selbst bin aber nicht in Österreich aufgewachsen, bin aber oft in der Gegend.

Wie wird man Foodscout?

Ich war Einkäufer in der Foodabteilung von Globus und habe mir dann ein umfassendes Wissen angeeignet. Ich reiste gerne, war unabhängig. Man muss extrem neugierig sein, stets auf der Suche nach neuen Produkten, Geschichten, spannenden Menschen, Rezepten und Köchen. Ein Journalist hat für mich irgendwann den Begriff „Foodscout“ geprägt, er ist mir geblieben.

Woher kommt Ihre Liebe zum Genuss?

Ich bin sehr einfach aufgewachsen, Fleisch gab es nur am Sonntag. Wir hatten oft nicht genug, waren vier Kinder. Die Mutter hat oft Sachen aus ihrer Heimat gekocht, etwa Knödel oder Grießnockerlsuppe. Gegessen habe ich immer schon gerne. Außerdem habe ich mich sehr früh fürs Kochen interessiert. Ich habe zwar nach der Schule Maschinenmechaniker gelernt, danach aber eine Kellnerlehre gemacht. Ich war schon in meinen Teeniejahren sehr angefixt in Sachen Essen. Wenn ich es mir irgendwie leisten konnte, bin ich essen gegangen, in gute Lokale. Dafür habe ich oft monatelang gespart.

Was macht ein Foodscout, Herr Kägi?

Richard Kägi kommt viel in der Welt rum

Gutes Essen muss nicht kompliziert sein. Sie können auch über so etwas Einfaches wie Erdäpfel schwärmen…

Ja. Zum Beispiel die Bergkartoffel aus dem Albulatal in Graubünden. Da gibt es einen Bauern, der 30 verschiedene Sorten – so hoch wie niemand anders – in steiniger Erde, auf Hängen anbaut. Alles Handarbeit. Diese Kartoffeln sind unglaublich schmackhaft. Oder Kartoffeln von der Insel Noirmoutier, im Westen Frankreichs. Sie wachsen im salzhaltigen Boden nahe dem Meer und übernehmen den leicht salzigen, meerigen Geschmack aus der Erde.

Die meisten Produkte entdecken Sie also durch Reisen und Gespräche mit Menschen?

Das funktioniert mehr oder minder immer auf dieselbe Weise. In der Regel nehme ich Kontakt zur lokalen Gastronomie auf. Die sind immer am besten informiert, was es an speziellen Produkten in der Region gibt. Außerdem verfüge ich mittlerweile über ein tolles Netzwerk auf der ganzen Welt.

Was war Ihre spannendste Entdeckung?

Besonders erinnere mich an eine Alge in Japan, die ich im Rahmen einer Tokio-Reise bei einem berühmten Sushi-Chef aß. Sie sah aus wie kleine Trauben, hatte die Größe von Kaviarkörnern, war durchscheinend und hellgrün. Im Mund platzte sie auf, sodass ich das Gefühl hatte, ich würde das Meer trinken. Die Algen wachsen ausschließlich auf Okinawa. Ich bin extra hingeflogen, musste aber erkennen, dass man sie nicht exportieren kann, weil sie innerhalb von zwei Tagen gegessen werden müssen.

Was bedeutet Kochen für Sie?

Es hat etwas Kontemplatives und für mich dieselbe Bedeutung wie essen. Ich koche gerne für große Gruppen, darum mache ich einmal im Monat einen Tisch, wo 20 Leute zu mir kommen und ich ein Menü mit mehreren Gängen serviere. Man kann sich dafür anmelden, es sind fremde Menschen, die dafür bezahlen. Das ist immer sehr lustig.

Wie viele Kochbücher besitzen Sie, haben Sie ein Lieblingskochbuch?

Das kann ich nicht genau sagen, aber es sind Hunderte. Ich mag besonders Kochbücher von Köchen, die ich persönlich kenne.

Trends: Was kommt, was bleibt?

Die Diskussion um Fleisch und Fleischersatz wird sich verstärken. Gemüse wird der große Gewinner sein. Ich glaube weniger an Ersatzfleisch, das ist zu wenig entwickelt und bleibt eine Nische. Genauso wie Insekten. Das wird nie ein Trend. Regionalität bleibt ein Megatrend, der sich noch verstärken wird.

Haben Sie Insekten gegessen?

Klar. Wir reden immer von Trend, doch eineinhalb Milliarden Menschen auf der Erde ernähren sich schon immer von Insekten. Ich habe auf meinen Reisen nach Asien bereits vor 30 Jahren Insekten gegessen. Aber ich habe gemerkt, dass das für uns Europäer zu sehr mit Ekel behaftet ist. Es hat keinen kulinarischen Wert, schmeckt nach nichts, ist höchstens knackig. In Sachen Fleischersatz gibt es viel spannendere Sachen. Algen sind nicht zu unterschätzen, da wird noch einiges passieren, wie man sie essen und richtig schmackhaft machen kann.

Was fällt Ihnen kulinarisch zu Österreich ein?

Da kommt mir in erster Linie der Wein in den Sinn, es gibt absolut sensationelle Produkte. Für mich habe ich gerade die Steiermark entdeckt. Mehlspeisen finde ich auch toll, obwohl ich kein Süßer bin und nur selten Desserts esse. Und natürlich die Küche in den Alpen, wenn die dortigen Tiere verarbeitet werden – Saiblinge oder Forellen aus klaren Gewässern, wunderbar.

Apropos Wein. Was halten Sie vom Natural/Orange-Wein-Trend?

Anfangs war das ein Hype, ist es immer noch. Was mich daran gestört hat: Die Jünger der Natural Weine haben alles gehypt, was anders schmeckt. Auch vieles, das schlecht war. Noch vor fünf, sechs Jahren waren für mich 80 Prozent aller Natural Weine fehlerhaft. Mittlerweile haben das viele Produzenten gemerkt und rudern wieder ein bisschen zurück. Das finde ich eine gute Entwicklung.

Wie bleiben Sie schlank?

Ich denke, das sind die Gene. Sonst versuche ich mich von wirklich guten Produkten zu ernähren. Ich wähle mein Essen sorgfältig aus, das hat nichts mit dem Preis zu tun. Ich esse unvernünftig, den ganzen Tag wenig, abends unglaublich viel und trinke zu viel Alkohol. Aber ich habe mein Leben lang immer viel Sport gemacht, etwa Triathlon. Ich mache keine Wettkämpfe mehr, trainiere aber immer noch.

Richard Kägi: Der provokante Genießer

Gastronaut

Richard „Richi“ Kägi (61) ist seit 30 Jahren Foodscout bei Globus, einem bekannten und traditionsreichen Warenhaus in der Schweiz. Er ist  auf der Suche nach interessanten, innovativen und besonderen Produkten oder Lieferanten. Kägi besucht dafür die besten Restaurants, kennt viele Top-Köche, die schönsten Märkte und Deli Shops. Die Welt der Kulinarik lebt und erklärt der Gastronaut seit einiger Zeit auf seinem Blog richardkaegi.ch. Dort provoziert er ganz bewusst mit Geschichten wie "Fuck the Trends" oder "Frauen an den Herd". 

Kolumnist und Koch  

Für die NZZ am Sonntag schreibt der Foodscout regelmäßig über seine kulinarischen Abenteuer. Für die Webseite delicuisine.ch entwickelt er nicht nur Rezepte, sondern kocht sie auch. 
Auf Instagram ist der  Experte unter @foodscoutglobus zu finden. 

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