Was heimisches Superfood alles kann

Was heimisches Superfood alles kann
Nicht nur Chia, Quinoa, Goji sind Nährstoffbomben. Leinsamen, schwarze Ribisel und Löwenzahn sind mindestens genauso stark.

Eine Frage: Welches Superfood kennen Sie? Den Begriff haben die meisten im Zusammenhang mit gesunder Ernährung schon gehört, entweder über die Medien, im Gespräch, oder man hat ihn auf der einen oder anderen Verpackung von diversen Lebensmitteln entdeckt. Die meisten antworten demnach auf die Eingangsfrage mit Avocado, Chiasamen oder Quinoa. Nur wenigen fallen in diesem Zusammenhang heimisches Gemüse, Obst oder Getreide ein. Leinsamen und Wildkräuter sind zwar noch weniger populär, was aber nichts an ihrer gesundheitlichen Kraft ändert.

Definition

Es gibt Nahrungsmittel, die reißen von ihren Werten nach oben hin aus. Sie haben besonders viel Vitamine, spezielle Mineralstoffe, extra viel Protein oder eine hohe Dosis sekundärer Pflanzenstoffe – sie sind in ihrer Zusammensetzung etwas Besonderes. Seit ungefähr 20 Jahren laufen sie unter dem Begriff Superfood. Dahinter verbirgt sich allerdings nur eine Marketingstrategie, denn eine genaue fachliche oder gesetzliche Definition gibt es nicht. „Wir verstehen darunter Lebensmittel, die mit einer hohen Nährstoffdichte glänzen“, erklärt Andrea Fiĉala, Ernährungswissenschaftlerin und Buchautorin. Dieser Wirkstoffreichtum einzelner Nahrungsmittel beschränkt sich aber nicht auf Chiasamen aus Südamerika oder die Gojibeere aus China. Auch heimisches Obst und Gemüse haben Superkräfte – mit dem Riesenvorteil, dass sie noch eine gute Ökobilanz vorzuweisen haben. „Echtes Superfood ist mehr als nur seine Inhaltsstoffe. Es ist regional, bio und saisonal“, so die Expertin. Das gute Gewissen isst mit. Und in diesem Sinne erscheint es fast logisch, statt zu Chia besser zu Leinsamen zu greifen, denn von der Wirkung sind sie annähernd gleich.

Was heimisches Superfood alles kann

Andrea Fiĉala, Ernährungswissenschafterin

Wachstum

Chiasamen, die hauptsächlich in Mexiko und Lateinamerika angebaut werden, finden sich mittlerweile in fast jedem Haushalt. Bis vor einigen Jahren waren die dunklen Körnchen, die reich an Ballaststoffen und Protein sind, bei uns kaum bekannt. Wurden 2013 in Deutschland noch 20 kg Chiasamen verkauft, waren es ein Jahr später bereits 700 kg und 2015 über 750 Tonnen (die Zahlen stammen vom deutsche Marktberatungsunternehmen IRI). Diese Nachfrage ist nicht allein auf den gesundheitsfördernden Nutzen zurückzuführen, sondern eher auf kluges Marketing. „Chiasamen können nichts, was Leinsamen nicht auch können. Und kommt Leinsamen aus der Gegend und ist in Bioqualität, ist der sogar noch gesünder“, so Fiĉala. Das einzige exotische Superfood, für das es keinen Ersatz gibt, ist die Avocado. Kein anderes Gemüse kommt der Butterfrucht in Konsistenz und Fettgehalt gleich. Doch die große Nachfrage bringt in den Anbauländern Probleme für Mensch und Natur mit sich. Monokulturen, die das ökologische Gleichgewicht vor Ort zerstören, sind traurige Folge. „Grundsätzlich spricht nichts dagegen, sich hin und wieder ein exotisches Superfood zu gönnen. Aber im Alltag sollte man zu den heimischen Superhelden greifen“, so die Ernährungswissenschaftlerin, denn: „Bei gesunder Ernährung geht es um Ausgewogenheit in jeder Hinsicht.“

Saisonal

Geht es um heimische Powerpakete, stehen die Wildkräuter ganz weit oben. Sie haben jetzt Saison und sind echte Vitaminbomben. Der Bärlauch geht zwar schon in sein diesjähriges Finale, seine Blüten haben aber im Mai Hochsaison. Der Tipp der Expertin: „Sie schmecken besonders köstlich auf einem Butterbrot“.

Vor allem wild gewachsene Kräuter enthalten hohe Mengen an Bitterstoffen, die die Verdauung unterstützen und das Immunsystem auf Touren bringen. Der Mai ist eine ideale Zeit, um frische Kräuter zu sammeln: Brennnessel, Gänseblümchen, Giersch, Löwenzahn, Taubnessel oder Vogelmiere stehen zur freien Verfügung. Grundsätzlich sollte man nur zu den Pflanzen greifen, die man kennt. Am besten verwendet man die Kräuter frisch. Zum Haltbarmachen ist Einfrieren die beste Lösung, da so die Vitamine erhalten bleiben. Am besten man püriert sie mit etwas Öl und friert sie in kleinen Portionen ein. „Sie verfeinern jedes Gericht, sollen aber nicht gekocht werden, das würde die Vitamine zerstören“, so die Expertin.

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Frische Kräuter wie die Vogelmiere sind besonders vitaminreich.

Grünes Kraftpaket

Geht es nach der neuesten ernährungswissenschaftlichen Erkenntnissen, wird Kohl weit unter Wert verkauft. Lange Zeit war er als „Arme-Leute-Essen“ abgestempelt, doch jetzt erwacht er als Superfood aus seinem Dornröschenschlaf. Neben dem Geschmack sind es vor allem die Nährstoffe, die dem Gemüse zu mehr Popularität verhelfen. Kohl punktet durch reichlich Vitamine, Mineralstoffe und Ballaststoffe. Die Liste der Sorten, die in heimischen Gärten wachsen, ist lang: Wirsing, Grünkohl, Romanesco, Kohlsprossen und Chinakohl gehören zu den Bekanntesten. Aber auch Radieschen und Rettich gehören zu der Gruppe der Kreuzblütler.

Den typisch scharfen und leicht bitteren Geschmack bekommt das Gemüse durch Senfölglycoside, die besonders gesundheitsfördernd sind. Die Pflanze produziert daraus aber auch ein Gift, das sie vor Fraßfeinden schützt. Dieses Enzym aktiviert das menschliche Immunsystem.

„Es ist das Gesamtpaket, das den Kohl zu einem echten Superfood macht. Ich empfehle ihn roh als Pesto zu verarbeiten, etwa statt Rucola. Das ergibt eine etwas andere Geschmacksnote und ist sehr gesund“, so der Tipp der Ernährungsexpertin. Auch fermentiertes Gemüse wie Sauerkraut führt ein Schattendasein, was die Wirkkräfte anbelangt. Die durch das Fermentieren entstandenen Bakterienkulturen sind nämlich äußerst wertvoll für Darm und Verdauung, zudem enthält das so behandelte Gemüse viel Vitamin C.

 

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Heidelbeeren sind reich an Antioxidantien

Beerendienst

Wenn man von heimischen Superfood spricht, stehen die Beeren ganz weit oben. Sie sind reich an Antioxidantien, Vitaminen und Mineralstoffen. Die schwarze Ribisel ist der absolute Spitzenreiter in Bezug auf die Inhaltsstoffe und punktet dazu mit einer besonders hohen Konzentration des dunklen Pflanzenfarbstoffs Anthocyan. Damit übertrifft sie sogar den Wert der als Superfood vermarkteten Acaibeeren. Anthocyane gehören zu den sekundären Pflanzenstoffen, die eine positive Wirkung auf die Gesundheit haben können.

Wer auf seinen Magnesium und Eisenspiegel achtet, sollte zu Brombeeren greifen. Und auch mit ihrem Betacarotin- und Vitamin-E-Gehalt schlagen sie nicht nur die heimischen Artverwandten, sondern auch so manches andere Superfood. Himbeeren sind gute Eisenlieferanten, dazu haben sie noch die Mineralstoffe Phosphor, Kalzium und Magnesium zu bieten. Heidelbeeren hingegen enthalten besonders viel Vitamin E. Also man braucht wirklich nicht in die Ferne schweifen, wenn man nach nährstoffreichen Lebensmitteln sucht. Schon der eigene Garten hat diesbezüglich viel zu bieten.

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