Wachauer Marille: Wird der Konsument betrogen?
KURIER: Am Sonntag hat die Marillenernte in der Wachau gestartet. Sie gehören zu den größten Marillen-Bauern in der Wachau, sind aber selber mit sehr großen Ernteausfällen konfrontiert. Warum ist die Ernte heuer so klein?
Franz Reisinger: Von unseren 230 Marillen-Bauern haben 30 einen kompletten Totalausfall gemeldet. Wir ernten heuer nur 1,5 Millionen Kilogramm, in guten Jahren liegen wir bei rund 3 Millionen. In der letzten April-Woche gab es drei Nächte lang eine polare Kaltfront. Wenn die Tage warm sind, aber die Nächte aufklaren und windstill sind, dann entsteht sogenannter Strahlungsfrost.
Was passiert bei Strahlungsfrost?
Reisinger: Man muss sich das vorstellen wie bei einer Tasse Tee: Man stellt ihn ab und wartet, bis er auskühlt, die Umgebungstemperatur gleicht die Temperatur in der Tasse aus. In Verbindung mit Kaltluft – wir hatten in manchen Gegenden minus vier Grad – fror das Wasser in den Früchten, die Zellen sind zerrissen. In weiterer Folge trocknen die Früchte aus und fallen ein bis zwei Wochen später ab.
Marillen brauchen viel Sonne: Hatten Sie eine gute Ernte in jenen Jahren mit Hitze?
Reisinger: Ja, wir hatten vor zwei und drei Jahren eine sehr gute Ernte. Die Marille ist eine sehr heikle Frucht. Neben Frost ist auch Regen ein großes Problem.
Was ist der geschmackliche Unterschied zwischen der Original Wachauer Marille und anderen Sorten?
Reisinger: Sie sind saftiger, haben einen höheren Pektinanteil – eignen sich also besser zum Einkochen – und schmecken aromatischer. Der Konsument steht darauf und schmeckt den Unterschied von 'unverzüchteten' Obstsorten. Der Geschmack rechtfertigt die höheren Preise: Die Original Wachauer Marille gibt es heuer um rund fünf Euro das Kilogramm, andere Sorten aus der Wachau um rund 3,5 Euro pro Kilogramm. Die Europäische Union hat die "Original Wachauer Marille" unter den Schutz einer geschützten Ursprunsgbezeichnung gestellt. Nur jene Händler mit dem Gütesiegel "Original Wachauer Marille" garantieren, dass es sich um die alte Sorte handelt.
Wenn die Ernte so gering ist, wie soll der Konsument die Herkunft erkennen?
Reisinger: In der Steiermark gibt es einen Totalausfall, im Weinviertel und im Burgenland gibt es nur kleine Erntemengen. Zahlreiche Kontrollen in der Wachau garantieren, ob die Kennzeichnung korrekt vorgenommen wird. Schon seit 20 Jahren kennen wir aber das Phänomen, dass fahrende Händler mit Marillen aus den unterschiedlichsten Regionen in die Wachau fahren und ihre Ware unter Namen wie "Donauprinzessin", "Richard Löwenherz" oder "Marillen aus der Region" feilbieten. Rechtlich gesehen vollkommen legal, aber hier findet eine Täuschung des Konsumenten statt. Warum fahren diese Händler in die Wachau? Natürlich um den Eindruck zu erwecken, sie verkaufen Wachauer Marillen. Es gibt eine private Kontrollstelle in Wien, die Flächen, Erntemengen und Bäume überprüft. Und dann ist natürlich nicht zu unterschätzen, dass sich die Nachbarn untereinander kontrollieren.
Von welchen Flächen sprechen wir?
Reisinger: Wir haben im Verein ein Eigenkontrollsystem installiert und haben jeden Baum registriert: Manche Landwirte haben nur zehn Bäume, große Landwirte rund zehn Hektar.
Im Falles eine Gerichtsverfahrens lassen DNA-Tests keine Zweifel offen?
Reisinger: Stimmt, DNA-Tests ergeben ein eindeutiges Ergebnis, ob es sich um die alte Sorte handelt. Aber ob diese vielleicht woanders gewachsen ist, kann der DNA-Test nicht feststellen.
Kommentare