Ski-WM: Was hat die Engadiner Küche zu bieten?
Die bekannteste Stadt im Schweizer Hochtal Engadin ist der Nobel-Ski-Ort St. Moritz, wo ab Montag, den 6. Februar die Ski-WM ausgetragen wird. Die Engadiner Küche hat trotz ihrer Einfachheit raffinierte Speisen mit regional vorhandenen Grundzutaten wie Polenta, Mehl, Kartoffeln oder Äpfeln geschaffen. Der Vorarlberger Didi Gapp lebt seit 1972 in der Schweiz, mit seiner Ehefrau betreibt er das Hotel Ustaria Crusch Alba – im Interview mit dem KURIER spricht der Koch über die kulinarische Geschichte des Hochtals.
KURIER: Wenn man an die Schweizer Küche denkt, denkt man an Käsefondue oder Zürcher Geschnetzeltes: Wie unterscheidet sich die Engadiner Küche?
Didi Gapp: In allen Regionalküchen der Schweiz spiegeln sich die gleichen Zutaten wie Käse oder Kartoffeln wider, aber es gibt kulinarisch eine Trennung zwischen der West-Schweiz, der Deutsch-Schweiz und der italienischen Schweiz. Hier im Tal, das mehr als 80 Kilometer lang ist und auf einer Höhe zwischen 1000 und 1800 Meter liegt, wachsen keine Früchte, wenig Getreide. Die Menschen waren immer auf den Handel über die Pässe angewiesen, so kam Polenta ins Tal. Aber auch Schweizer Auswanderer, die Randulins oder Schwalben genannt wurden, brachten um 1800 aus ihren neuen Heimaten Italien und Frankreich Zutaten mit, die es vorher nicht gab.
Ja, die Engadiner Nusstorte kommt wahrscheinlich aus dem Veltlin, das heute zur Lombardei, aber früher zum Schweizer Kanton Graubünden gehörte. Bei dieser handelt es sich um eine gedeckte Torte, die aus Mürbteig gefüllt mit Walnüssen und Karamell besteht. Nüsse waren einst ein Lagerprodukt und die Grundzutaten wie Mehl, Butter und Zucker waren auch im Hochtal immer erhältlich. Heute ist die Torte weltberühmt und wird in die ganze Welt versandt.
Haben die Menschen damals hochkalorische Speisen zu sich genommen, um die harte Arbeit bewältigen zu können?
Ja, Polenta ist ein gutes Beispiel: Durch den Handel kennen wir vier Sorten, den Gelben aus Italien, den Weißen aus dem Rheintal – grober und feiner Riebelmais –, den Roten aus dem Tessin und den Violetten aus Spanien, der mittlerweile auch im Tessin beheimatet ist. Durch einen Mangel an Frischprodukten war die Küche vielleicht ein wenig eintönig, aber durch Geld und Handel entwickelten sich facettenreiche Speisen wie ein Dessert aus eingekochten Dörrzwetschgen, Rotwein, Zucker und Pfeffer, das wird dann mit altbackenem Brot gegessen, das in Butter gewendet wird.
Weil Äpfel und Kartoffeln gut lagerfähig waren und auch den Winter über verfügbar waren. Käse war im Engadin sowieso immer präsent. Für Maluns werden Kartoffeln gerieben: Zuerst werden sie gekocht, dann gerieben, mehliert und solange in Schmalz auf dem Feuer gebraten, bis die Masse in ganz kleine Knollen zerfällt. Maluns ist zwar nicht trocken, aber es braucht doch etwas dazu, darum Apfelmus. Neben Äpfeln spielen auch Birnen eine Rolle: Dörrbirnen werden als ganze Frucht gedörrt und dann eingekocht. Das Birnbrot, vergleichbar mit dem österreichischen Kletzenbrot, besteht aus Dörrbirnen, Feigen, Nüssen und Schnaps. Letzterer belebt das Aroma. Das Früchtebrot war auch ohne Kühlung lange haltbar und wird im Engadin als Frühstück mit Butter oder oft zu Käse gegessen.
Im Engadin und in anderen Teilen der Schweiz wird die Wurst geräuchert, südlicher wie in Italien wird nicht geräuchert, sondern mit einem Edelpilz gearbeitet. Dadurch ist die Konsistenz anders: Bei uns schmeckt die Wurst trockener und sie hält länger.
Mehl, Kartoffeln, Schmalz, Rahm und Polenta sind Zutaten, die einfach immer vorhanden waren. Für Plain in Pigna werden Kartoffeln im Stil von Rösti mit Polenta und Salsiz gemischt, eine klassische Restlverwertung. Nudeln haben keine alte Tradition: Die Engadiner Küche ist eine Arme-Leute-Küche.
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