Haubenkoch Obauer klagt über Bürokratie

Köche des Jahrzehnts, Karl (l.) und Rudolf Obauer.
Der Salzburger Haubenkoch Karl Obauer fordert mehr Verständnis von der Politik.

Seit mehr als zwei Jahrzehnten halten die Obauer-Brüder aus Werfen ihre vier Hauben – nächste Woche ist wieder Zeugnisverteilung. Der Restaurantführer Gault&Millau bewertete 873 Restaurants. Die besten Küchenchefs hoffen auf eine Bestätigung ihrer Hauben. Der Salzburger Haubenkoch Karl Obauer kritisiert im Interview mit dem KURIER die hohen Lohnnebenkosten und die geltenden Compliance-Vorschriften.

KURIER: Schanigarten, Registrierkassenpflicht, Compliance, Allergenkennzeichnung, Rauchergesetz, Personalnot: Man könnte meinen, Gastronomen klagen nur noch.
Karl Obauer: Die Bürokratie beklagen nicht nur wir! Alle Branchen ächzen unter zu umfangreichen Vorgaben.

Dass bei Feuerwehrfesten die Politik in Sachen Registrierkassenpflicht übers Ziel hinausgeschossen ist, versteht der durchschnittliche Steuerzahler. Aber wieso regen sich die Branchenvertreter noch immer auf?
Ganz im Gegenteil! Mein Bruder und ich haben immer schon eine Registrierkasse: Bei einem Betrieb mit 30 Mitarbeitern würde das gar nicht anders gehen, wir brauchen Kontrolle. Wir haben ein Problem mit den vielen Ausnahmeregelungen und mit Vereinbarungen, die eine Berufsgruppe bevorzugen und eine andere benachteiligen. Den oft zitierten österreichischen Weg, mit dem man es sich richten kann, wenn man die richtigen Leute kennt, halten wir für einen Irrweg.

Also braucht ein kleiner Verein, der ein Fest am Wochenende macht, eine Registrierkassa?
Ob bei Vereinsfesten und beim Maronibrater eine Registrierkassa stehen muss oder nicht, halten wir für keine besonders wichtige Frage. Was bei all den Registrierkassa-Diskussionen mitschwingt, ist ein Generalverdacht, der sich vor allem gegen Handel und Gastronomie richtet. Das sind zwei Branchen, die sehr wesentlich zur Lebensqualität in einem Land und zu seiner Konkurrenzfähigkeit in der Tourismuswirtschaft beitragen. Daraus soll Gastronomie und Handel kein Vorteil erwachsen, aber eine Überreglementierung ist sicher auch nicht am Platz. Da schießt man unserer Meinung nach in Österreich weit über das Ziel hinaus.

Fühlen Sie sich gut vertreten?
Wir kommen ganz gut ohne Vertretung zurecht. Unsere Erfahrungen waren aber nicht besonders positiv. Es gibt in der Standesvertretung der Gastronomie sicher noch Potenzial, um Entwicklungen früher zu erkennen.

Wollen Sie kandidieren?
Die Politik ist nicht unsere Welt.

Die Compliance-Regeln gibt es seit fast vier Jahren. Sind Geschäftsessen von Salzburger Amtsträgern denn bei Ihnen tatsächlich seltener geworden?
Compliance-Regeln sind für Wirtschaft und für Gastronomie sicherlich nicht von Vorteil und sie erzielen sehr wahrscheinlich nicht die Wirkung, die man damit beabsichtigt. Eine Bestechung findet nicht am Tisch und in einem Wirtshaus statt, sondern unter dem Tisch hinter verschlossenen Türen.

Aber sind jetzt die Amtsträger weniger geworden?
Nein, wir reden eher von Firmen, die sich nicht mehr trauen, ihre Geschäftspartner einzuladen.

Verstehen Sie den Gesetzgeber, dass er mit diesen Regeln das Anfüttern erschweren bzw. unterbinden wollte?
Wenn der Gesetzgeber meint, dass sich die Beamten der Republik durch Restauranteinladungen anfüttern lassen, hat er eine ziemlich schlechte Meinung von den Staatsdienern. Wenn private Unternehmen einem potenziellen Kunden eine Gefälligkeit erweisen wollen, finden sie immer einen Weg dazu.

Könnten Sie nur von Privatkunden leben?
Wir hatten nie einen großen Anteil an Geschäftsessen. Wirtschaftlichkeit und Erfolg ergeben sich aus Fleiß, Können, Disziplin und Ehrlichkeit – wie beim Sport. Es gibt keinen Sportler, der mit ungenügender Trainingsleistung am Stockerl steht.

Ein Trend ist, mit Greißlereien oder Wein-Bars eine preiswertere Zweitschiene anzubieten. Ein Art Querfinanzierung, um Haubenküche zu finanzieren?
Wir fahren seit Jahren unsere zweite Schiene im gleichen Restaurant: Jeder Gast kann zwischen einer einfachen, traditionellen Küche oder einem 6-Gänge-Haubenmenü wählen. Ob zweites Restaurant oder nicht: Jedem muss klar sein, dass der Gastronom den nötigen Zeitaufwand nicht an einem acht-Stunden-Arbeitstag schafft.

Wie viel Selbstaufgabe gehört in der Spitzengastronomie dazu?
Wir nutzen freie Tage, um die Batterien aufzuladen. Es ist wie im Sport, alles spielt sich im Kopf ab. Man braucht Disziplin und man muss sich selber kennen. Wir haben Grundlagen-Ausdauer aus unseren Sportarten.

Gastronomen beklagen oft, dass sie nicht qualifiziertes Personal finden. Liegt es wirklich an den Jobsuchenden?
Die wirklich Guten waren früher genauso rar wie heute. Früher konnten sich die Firmen aber mehr Mitarbeiter leisten, die nicht top waren. Die Mitarbeiter haben nicht so viel gekostet, die Lohnnebenkosten sind heute zu hoch. Ich war selber lange unselbstständig beschäftigt und kenne die Sicht als Angestellter genauso wie die Sicht als Unternehmer: Wenn man vom Brutto-Gehalt ein Viertel der Lohnnebenkosten in den Netto-Lohn einfließen lassen würde, gäbe es ein Aufatmen.

Ist nicht das Mindestgehalt in der Gastronomie mit 1420 € brutto bzw. für einen Koch mit 1573€ brutto das Problem?
Das Problem ist nicht der Brutto-Lohn, sondern die Schere zwischen dem Netto-Lohn und der Dienstgeberbelastung. Von dem, was wir für einen nach KV entlohnten Mitarbeiter aufwenden müssen, kommt viel zu wenig beim Mitarbeiter an. Mit einem höheren Netto-Lohn, ohne den Arbeitgeber zu belasten, sähe die Situation für die Mitarbeiter ganz anders aus. Sie hätten dann die Möglichkeit, mehr zu konsumieren, was wieder gut für die Wirtschaft wäre. Bei den aktuellen Lohnnebenkosten ist es aber für den Arbeitgeber schwer, die Netto-Einkommen der Mitarbeiter wesentlich anzuheben. Das geht nur bei den Top-Kräften.

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