Ganz Kärnten bäckt jetzt slow
Reisen zu den Wurzeln des guten Geschmacks – in die Kärntner Täler, zu ihren Menschen und Geschmäckern, zu den traditionellen Lebensmittelproduzenten mit ihrem alten Handwerk. So hatte es sich Barbara van Melle, Chefin von Slow Food Wien, erträumt. Aber die Umsetzung sollte kompliziert werden.
Van Melle wollte nicht aufgeben, suchte weiter und wurde in Kötschach-Mauthen fündig. Bäcker- und Konditormeister Thomas Matitz und seine Ehefrau Angelika hatten ein offenes Ohr. "Wir waren selber gar nicht mehr zufrieden. Mein Mann wollte kreativ sein, aber wer mit Backmischungen bäckt, kann nicht kreativ arbeiten. Dass Barbara plötzlich vor unserer Tür stand, war eine glückliche Fügung", erzählt das Ehepaar.
Lehrer für die Meister
Der 27-jährige Simon Wöckl, Agrarwissenschafts-Student und junger Bäckermeister aus Oberösterreich, der bei seinem Onkel das Handwerk erlernt hatte, wollte helfen. "Ein Sauerteig ist keine Wissenschaft. Das Ziel war, jene Produkte, die Matitz bereits im Verkauf hatte, zu verfeinern." Nach zehn Monaten war der Betrieb komplett umgestellt.
Zwar erfordert das Backen ohne Helferlein mehr Zeit, dafür gibt das Ehepaar für Rohstoffe weniger aus als für Industrieprodukte – sie kaufen ohne Zwischenhändler direkt bei den Landwirten. Auch eine kleine Getreidemühle steht jetzt in der Backstube. Die Folge: Der Umsatz hat sich verdoppelt und vier Vollzeit-Arbeitskräfte konnten eingestellt werden. Die Kunden kommen nun aus einem Radius von 100 Kilometern, um das Brot aus regionalen Zutaten zu probieren. Angelika Matitz: "Mein Mann kann sich entfalten: So haben wir ein neues Traubenkernmehl-Brot im Angebot. Die Alten sagen, dass unser Brot wieder so schmeckt wie in den 60ern. Niemand fragt nach dem Preis, die Leute zahlen." Die Höhe der Teuerung? "20 Cent pro Laib."
Das Erfolgsprojekt hat sich in Kärnten herumgesprochen: Neun "g’standene" Bäcker lernen von Wöckl das Backen neu.
Info: Alles Infos zu Slow Food Travel Alpe Adria finden Sie hier, Thomas und Angelika Matitz kommen am 18. März im Rahmen des Brotfestivals "Kruste & Krume" in den Kursalon Hübner, alle Infos finden Sie hier
Heute kaufen wir Brot im Supermarkt, hin und wieder beim Bäcker: Dabei hat Brot in vielen Kulturen symbolische Bedeutung: In Österreich wurde Brot beim Anschnitt einst immer gesegnet, am Weihnachtstag auf die Schwelle gelegtes Brot sollte Schutz für das Haus bringen.
"All diese Rituale zeugen vom Respekt für Brot und sind in vielen Ländern dieser Erde zu finden", erzählt Barbara van Melle. So reichen Mütter in Afghanistan ihren Söhnen beim Auszug aus dem Elternhaus eine Schale mit Mehl. Der Sohn legt seine Hand in das Mehl, das dann an Arme verschenkt wird – dieses Ritual soll Glück bringen. Im Rahmen des Brotfestivals "Kruste & Krume" (18. März, Kursalon Hübner) hat jeder Besucher die Möglichkeit, sein "Glücksbrot" zu erstehen. Für eine Mindestspende von zwei Euro hinterlassen Gäste ihren Handabdruck in einer Schale Mehl und erhalten dafür ein von Flüchtlingen gebackenes Glücksbrot. Der Reinerlös kommt unbegleiteten minderjährige Flüchtlingen zugute.
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