Gehen uns bald die Essiggurkerl aus?

Gehen uns bald die Essiggurkerl aus?
Sauer verdient: In Österreich gibt es heute nur mehr 15 Betriebe. Acht wollen in Kürze aufgeben.
Von Uwe Mauch

Der Vergleich ist brutal: Während die Bauern mit Getreide fünf bis 15 Arbeitsstunden pro Hektar beschäftigt sind, müssen sie für das gemeine Essiggurkerl 2500 Stunden kalkulieren. „Davon fallen 2400 Stunden auf die Ernte“, erklärt Hannes Royer.

Der steirische Bergbauer hat sich zuletzt viel im Eferdinger Becken und im Marchfeld umgehört. Nicht, weil er auf seinem 800 Jahre alten Hof hoch über Schladming Gurken ernten will. Nein! Er macht sich große Sorgen um die Landwirtschaft. Als Obmann der von ihm gegründeten Plattform Land schafft Leben hat er es sich zur Aufgabe gemacht, unbedarfte Konsumenten möglichst präzise zu informieren.

Royer warnt: „Wenn wir weiterhin sorglos zu Essiggurkerln aus fernen Billiglohn-Ländern greifen, wird es bald keinen Gurkerlbauer mehr in Österreich geben.“

Da waren’s nur noch sieben

Gehen uns bald die Essiggurkerl aus?

Seine Recherchen haben ergeben: „In diesem Sommer sind noch 15 produzierende Betriebe aktiv, zwei wollen fix im kommenden Jahr aufhören, sechs planen ihren Ausstieg für 2020.“ Zum Vergleich: vor dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union sollen es noch um die 200 Bauern gewesen sein.

Der Bergbauer gibt seinen Kollegen aus der Ebene keine Schuld. Im Gegenteil, er bewundert sie dafür, dass sie so lange in der Schlacht um wenige Cent ausgehalten haben. Er sieht sich eher als Mahner der Endverbraucher: „Es muss uns schon klar sein, dass ein Gurkerl zu 97 Prozent aus Wasser besteht, und dass es ökologisch natürlich einen gewisser Widersinn darstellt, wenn wir uns Gurken aus Ländern mit Wassermangel in unseren Wasserreichtum schicken lassen. In Indien fehlt das Wasser, während wir genug haben. Noch dazu riskieren wir, Tradition und Know-how zu verlieren.“

Der Bauer, der in Schladming, Sankt Wolfgang und Zell am See eigene Bauernläden führt, neigt nicht zur Panikmache, doch nach seinen Gesprächen mit den Gurkerlbauern sagt er ohne Wenn und Aber: „Selbst Gurken anzubauen, das ist eine hoch komplizierte Angelegenheit. Damit ganz neu anzufangen, das tut sich niemand mehr an.“

Das Drama des Essiggurkerls ergibt sich auch aufgrund der unterschiedlichen Wertigkeiten: Den Produzenten, die im Hinblick auf die Gurkengröße von Drei-Sechsern oder Sechs-Neunern sprechen, trägt sie viel Arbeit und wenig Ertrag ein. Für diese Arbeit finden sich kaum noch Saisonarbeiter. Für Konsumenten ist die sauer gemachte Feldfrucht im besten Fall eine Nebensache, für die man kein Geld ausgeben will. Herstellung: Wuaschd. Herkunft: Wuaschd.

An dieser Stelle bittet Bauer Royer um einen Moment Aufmerksamkeit: „Wenn unser Gemüse irgendwo auf der Welt erzeugt wird, haben wir gar keinen Einfluss mehr darauf, wie dort gearbeitet wird und wie dort die Erntehelfer behandelt werden. Darum lohnt es sich, genau nachzusehen oder nachzufragen, wo die Gurkerl herkommen.“

Kann man das? Gar nicht so einfach. Die Herkunft von Einlegegemüse muss in Österreich nicht gekennzeichnet werden. Und die Angabe „Hergestellt in Österreich“ sagt noch nichts über die Herkunft der Gurken aus. Einige Hersteller kennzeichnen freiwillig. Etwa: „Gurken aus Österreich“. Royer rät: „Bitte zu solchen Gurkengläsern greifen.“

www.landschafftleben.at

Kommentare