"Viele werden von falschen Weinen verdorben"
Ist es echte Sorge oder ein leichter Hang zum Zynismus? Im Gespräch in der „Weinbank“ im steirischen Ehrenhausen, zwischen urig-edlen Holztischen und beleuchteten Weinflaschen, könnten die Worte nicht glasklarer fallen. Es geht um die großen Veränderungen des Geschmacks, des Klimas, des Weinbaus, der Region, der Küche – um die Folgen, und darum, dass „viele noch nicht so weit sind“, wie die beiden Granden der Genusszunft meinen.
Draußen eine Dorfstraße, drinnen große Küche. Warum gerade hier?
Fuchs: Als ich vor zwei Jahrzehnten in der Südsteiermark zu kochen begann, gab es kulinarisch nicht viel Angebot außer Buschenschanken. Erst in den vergangenen Jahren hat sich die Süd- und Südoststeiermark zum kulinarischen Hotspot mit erachtenswerter Dichte entwickelt.
Woran liegt das?
Fuchs: Gastronomie am Land funktioniert immer gut. Der Wiener wird eher nicht nach Graz zum Essen fahren, sondern ins Grüne, in eine Region, die viel zu bieten hat.
Zach: Toll ist, dass es dabei viele Zugänge im Weinbau gibt. Tutti-Frutti-Weine, also gemachte Hefe-Weine, wollen wir Sommeliers eh nicht und auch der Endverbraucher möchte das nicht, braucht aber unterstützende Aufklärung. Betriebe, die biodynamisch arbeiten, etwa Sepp Muster oder Ewald Tscheppe, wurden lange belächelt, haben aber letztendlich gezeigt, dass man biodynamisch arbeiten kann. Man dachte lange, das geht nicht, damit sei man nicht wirtschaftlich genug unterwegs. Willi Sattler war vor zehn Jahren kein Befürworter, heute könnte er theoretisch ein Demeter-Siegel bekommen. Auch Armin Tement arbeitet biodynamisch, will das aber nicht an die große Glocke hängen.
Warum? Das liegt doch im Trend.
Zach: Weil die Kunden noch verunsichert und nicht so weit sind. Manche sagen, sie trinken keine biodynamischen Weine, ohne zu wissen, dass sie das schon tun.
Das heißt, viele wollen dennoch das Altbewährte?
Zach: Ja, klingt absurd. Maischevergorene Weißweine haben beim Endverbraucher dazu beigetragen, dass Vergärung mit ,biodynamisch’ verwechselt wird. Aber auch da gibt es Gutes und weniger Gutes, gleich wie im konventionellen Weinbau! Ich freue mich aber zu erkennen, dass sich der Gast mehr und mehr weiterentwickelt und aufgeschlossen gegenüber Neuem ist.
Wird sich auch das Verständnis für die Regionen ändern? Viele denken: Burgenland ist Rotwein, Niederösterreich Weißwein. Doch das wird sich aufgrund des Klimas ändern.
Zach: Ja, die globale Erwärmung hat auch in der Südsteiermark einiges verändert. Einige Trauben verschiedenster Lagen wurden bislang in unserer Region nicht reif, mittlerweile schon. Lagen über 400 Meter sind nun fantastisch, auch für Rotwein. Dennoch gibt es bei den Winzern keine Tendenzen, in einer Weißweinregion Rotwein zu pflanzen. Aber die Lagen ändern sich. Lukas Pichler, der kürzlich aus der Vinea Wachau austrat, weiß, dass Grüner Veltliner in den warmen Südlagen nicht mehr funktionieren wird. Natürlich ist das schade um das gute Rebmaterial. Johannes Zillinger im Weinviertel pfropft seine Rebstöcke auf Sauvignon blanc um, damit bessere Säurewerte erzielt werden können, das hat auch Lukas Pichler schon gemacht.
Und wie wird sich der Weinbau in der Steiermark ändern?
Zach: Darüber spreche ich etwa mit Armin und Manfred Tement sehr oft und frage mich, wieso sie keinen Rotwein pflanzen. Die beiden glauben, dass die Top-Lagen auch künftig die besten Lagen-Sauvignons hervorbringen werden. Sauvignon blanc funktioniert großartig auf Kalkböden, während Muskateller gut auf Sandböden gedeiht, das wird sich nicht ändern. Die Sauvignon blancs der Südsteiermark sind generell das Maß der Dinge und in allen Verkostungen weltweit eine Benchmark. Es werden heute sogar noch Rotweingärten auf Sauvignon blanc umgepfropft. Welschriesling hingegen ist schwierig geworden, darum muss man sich kümmern, immerhin ist das fast eine autochthone Rebsorte. Seit geraumer Zeit tut sich da auch einiges. Bei Chardonnay wird man mit den Besten der Welt verglichen, das ist schwieriges Terrain.
Betrifft das auch Niederösterreich?
Zach: Dort gibt es einige junge Betriebe, die großartig arbeiten wie Grabenwerkstatt, Michael Linke und Franz Hofbauer aus Trandorf. Sie machen Grünen Veltliner und Rieslinge, die im Spitzer Graben wachsen. Dort gedeihen auch noch gute Veltliner, wobei auch hier, die Rieslinge die Stars sind. Bei Peter Veyder – Malberg aus Viessling, im Spitzer Graben verhält es sich ähnlich. Auch Peter hat alte Parzellen im Spitzer Graben wieder rekultiviert und produziert im Spitzer Graben State-of-the-art-Rieslinge. Viele Winzer sind dennoch sehr konservativ und bleiben bei den alten Werten.
Inwiefern?
Zach: Es gibt zum Teil zu wenig Niederschlag oder zu viel Ertrag – die konventionellen Weingüter bringen auch noch Kunstdünger in den offenen Boden. Wenn es kurz vor der Ernte dann regnet und die Trauben einen Schub bekommen, platzen sie auf. Das ist ein massives Problem. Es gibt teilweise Probleme, Trauben mit genügend Säure zu produzieren.
Klingt nach dem Ende des Veltliners.
Zach: Viele Winzer wird es nicht geben, die noch Grüner Veltliner pflanzen. Ich glaube nicht, dass Veltliner weiterhin eine wichtige Rolle spielen wird.
Was kommt dann?
Zach: In der Domäne Wachau will man alle ca. 250 Mitgliedsfamilien bis 2028 dazu bewegen, ihre 400 Hektar Flächen biologisch zu bewirtschaften, immerhin ein Drittel der Wachauer Flächen. Das ist großartig und wichtig. Es kann nur in diese Richtung gehen. So kann man es lenken, auch weiterhin Grüne Veltliner zu produzieren, die Finesse und Trinkfluss haben.
Fuchs: Womit wir wieder beim Hausverstand sind. Jeder, der gerne isst und trinkt, achtet auf die Herkunft der Lebensmittel. Es wird noch bei vielen Klick machen. Und es wird schnell gehen, dass ein Großteil der Konsumenten die Biozertifizierung sogar verlangt. Ich persönlich renne nicht jedem Zertifikat nach, für mich ist das Vertrauen wichtig, ich weiß von meinen Lieferanten, wie sie arbeiten. Diese Herangehensweise würde ich mir für die ganze Südsteiermark, bestenfalls ganz Österreich wünschen.
Wie lange wird es dauern, bis der Gast das verstehen lernt?
Zach: Wir Sommeliers bzw. Gastronomen sind gefordert, die Veränderungen aufzuzeigen. Kürzlich etwa sagten zwei Gäste, biodynamische Weine wären nichts für sie und in Frankreich gäbe es das ja auch nicht. Ich erklärte ihnen, dass die besten Produzenten des Burgunds schon seit jeher biodynamisch arbeiten. Diese Betriebe arbeiten biodynamisch, weil sie so bessere lebendigere Weine produzieren und nicht aus Marketinggründen. Bei uns aber glaubte man, man müsse die Natur überlisten.
Fuchs: Viele werden von den falschen Weinen verdorben. Es gibt Produzenten, die jetzt bloß deshalb trüben Wein machen, um auf der Welle mitzuschwimmen. Man produziert einen ,hergerichteten’ Wein mit viel Hefe, füllt ihn in Amphoren, gräbt ihn ein, schwefelt ihn bei der Füllung und setzt ihn dann Gästen vor. Denen schmeckt das meistens nicht, aber sie glauben, das sei biodynamischer Wein. Da passiert leider, wie in der Küche auch, viel Irreführendes. Biodynamisch heißt nicht, dass der Wein trüb oder orange ist, sondern wie er wächst, von Menschenhand bearbeitet und verarbeitet wird.
Klima, Gebietsveränderungen, Nachhaltigkeit: Wir sind mittendrin in einer der größten Umwälzungen, die auch stark Weinbau und Kulinarik betreffen. Anbau und Verarbeitung umzustellen ist meist mit Kosten verbunden. Demnach steigen auch die Preise. Oder?
Fuchs: Naja, früher haben Lebensmittel im Verhältnis zu dem, was die Menschen verdient haben, noch viel mehr gekostet als heute. In den 70ern verbrauchte man 40 Prozent seines Einkommens für Essen und Trinken, heute liegen wir bei unter zehn Prozent. Es ist alles viel zu billig. Zudem wird ein Großteil von dem, was produziert wird, weggeworfen. Früher kaufte man ein großes Stück Fleisch und verwertete es mit Putz und Stingl. Wenn heutzutage nur mehr wenige kochen können oder wollen, man nichts von Resteverwertung versteht und stattdessen die Hälfte weggeworfen wird, scheint das 2,50-Euro-Hendl für diejenigen auch noch zu teuer zu sein.
Es wird aber auch internationale Ware nachgefragt und Bio-Produkte sind teurer als Massenpackungen. Viele haben die finanziellen Mittel dafür nicht. Auch im Immobilienbereich steigen die Preise. Geht die Schere zwischen Arm und Reich, also jenen, die sich so eine Kulinarik leisten, und jenen, die es nicht können, weiter auf?
Fuchs: Nachdem es viel mehr gute Restaurants gibt als vor 20 Jahren, muss der Markt dafür offensichtlich da sein. Es ist ein Märchen, dass gute Qualität mehr kostet. Kauft man heute im Supermarkt zum Beispiel Gemüse und Linsen in Bioqualität für das preiswerte und fantastische Gericht eines Linseneintopfs, belastet das auf die Menge betrachtet die Haushaltskassa wesentlich geringer als vorportionierte Fertiggerichte von Billigmarken. Nicht alles, was als billig suggeriert wird, ist also auch billig. Geschweige denn nahrhaft.
Billig ist dennoch immer relativ. Gerade in der Südsteiermark, die im vinophilen Bereich preislich anzieht, sorgt das für Diskussionen. Wie viel darf ein Glas Welschriesling kosten?
Zach: Eine Top-Lage wie Zieregg kann schon einmal mehr als zehn Euro im Restaurant oder Wirtshaus kosten. Stephan Reinhard, der Verkoster für Robert Parkers Wine Advocate, bezeichnet Armin Tement als den besten Weinbauer im deutschsprachigen Raum. Natürlich kosten diese Weine von Weltformat Geld, aber sind jeden Cent wert! Man muss dem Gast die Preissteigerung transparent erklären: weil Zieregg ein alter Weingarten ist, der von Hand gepflegt wird, wenig Ertrag bringt und dann händisch geerntet wird. Biologische bzw. biodynamische Bewirtschaftung bedeutet auch mehr Risiko.
Das war vor zehn Jahren aber auch schon so, und da kostete es weniger.
Zach: Den Lagen wurde noch nicht so viel Bedeutung beigemessen. Es wird teurer, weil man den Weingarten aufwendiger bewirtschaftet, die Trauben per Hand liest und den Wein länger auf der Hefe lagert. Es wird also nicht sofort zu Geld gemacht, sondern man gibt dem Wein Zeit zur Reife. Die Top-Sauvignon blanc Reserven aus dem Jahrhundert-Jahrgang 2017 kommen erst auf den Markt. Früher sind diese im Folgejahr nach der Ernte auf den Markt gekommen.
Der Investor Hans Kilger kauft derzeit Hänge, Immobilien und Betriebe in der Südsteiermark. Damit fließt viel Geld in die Region. Empfinden Sie das als positiv?
Zach: Nein, das glaube ich nicht. Herr Kilger wird wohl eine Vision für die Region haben – Arbeitsplätze in der Region zu schaffen ist es aber nicht, denn alle Betriebe gab es ja bereits, samt den Mitarbeitern. Es wäre nachhaltig, wenn an der Auslastung der Betriebe, also über zwölf Monate im Jahr, gearbeitet werden würde. Das würde der Region helfen. Aber sicher nicht der blinde Neubau von Zimmern, die dann erst wieder nur eine 50-prozentige Auslastung erwirtschaften.
Fuchs: Wir möchten keine Mutmaßungen in den Raum stellen, aber generell hinterlässt ein Investor nicht selten seelenlose Betriebe. Gastronomie steht für Gastfreundschaft und wegen der Gastfreundlichkeit finden so viele Menschen den Weg in die Südsteiermark. Das darf nicht verloren gehen, indem mehr und mehr Traditionsbetriebe von großen Fischen übernommen werden.
Wobei die Südsteiermark in der Hochsaison restlos ausgebucht ist. Aus der Oststeiermark hört man, dass Gäste deshalb bereits dorthin ausweichen. Wird sich diese Region demnach kulinarisch und vinophil ähnlich gut entwickeln?
Zach: Die Weine aus der Oststeiermark waren bislang nie so fokussiert und fein wie in der Südsteiermark. Natürlich gibt es Winzer, die auch dort große Weine machen – etwa Christoph Neumeister, Walter Frauwallner oder Gottfried Lamprecht.
Fuchs: Die Oststeiermark hat eine andere landwirtschaftliche Struktur, es gibt dort mehr Platz für Obst- und Gemüseanbau, weniger Weingärten, mehr Viehhaltung. Auch einen hippen Bierbrauer wird man eher dort finden als in der Südsteiermark.
Zach: Wir haben mehr Individualtourismus, kaum Busse, der Bustourismus ist dort auch stärker, etwa wegen Chocolatier Zotter, der völlig zurecht viele Besucher hat.
Wie steht es um das Schilcherland Weststeiermark?
Zach: Diese Weine sind vom Format her ideal für eine Jause, die hohe Säure ist aber sehr fordernd, sodass man das schwer zu einem aromatischen Gericht trinken kann. Es gibt aber auch dort Produzenten wie Franz Strohmeier, der großartige Weine macht. Er wird aber oft belächelt, viele sagen, das hätte mit Schilcher nichts zu tun. Doch er macht einfach einen guten Wein, nicht den klassischen rassigen Schilcher, der die Ohrwascheln vibrieren lasst.
Wäre die aktuelle Stimmung mit einem Lebensmittel bzw. Wein zu beschreiben, welche wären das?
Zach: Der Wein „Glück und Freude“, der im ersten Lockdown auf den Markt kam. Es ist kein ganz großer Wein, aber er hat mir emotional sehr geholfen: ein Sauvignon blanc von Tement, der mehr ist als einfach, aber niemanden überfordert.
Fuchs: Ein Korb voller Fülle – mit Gemüse, Obst, Fisch, Fleisch. Es gibt sie weiterhin, die guten Dinge. Aber vielleicht mit dem neuen Twist und frischer Energie.
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