Wir Kinder vom Bahnhof Zoo: Wie stylisch darf Heroin-Sucht sein?
Prostitution, Gewalt, dem nächsten Heroin-Schuss hinterherjagen. An sich keine glamourösen Lifestyle-Themen, die da in der Neuauflage von "Wir Kinder vom Bahnhof Zoo" aufs Tapet geholt werden. Die deutsche Vogue attestierte in einem Artikel der neuen Amazon-Serie über die Clique um Christiane F. dennoch: "Und ja, die Serie hat Glamour". Andere wiederum, wie Cicero, ärgert es. Weil Bilder von Junkies eher abschreckend sind, kämen sie im Instagram-Look daher.
Über wenig ist zu dieser Serie mehr diskutiert worden, als der Hochglanz-Look dieser Szene aus den 1970er Jahren, die normalerweise das glatte Gegenteil darstellt. Wie cool darf Heroin sein? Bei der Antwort auf diese Frage wird es wohl keinen Konsens geben. Für die Filmcrew und die Kostümbildnerin Nicole Fischnaller kein Widerspruch, wie sie der Vogue sagt.
"Wenn wir die heutigen ZuschauerInnen ansprechen wollen, dann müssen wir die Geschichte auch ein Stück weit ins Hier und Heute holen. Da stoßen sich dann Leute auch dran und fragen, warum das so bunt ist, so schnell, so modern. Aber das ist durchaus mit Absicht geschehen. Und wir selbst haben das auch hinterfragt. Glorifiziert man damit das Drogenmilieu?"
Drogenkranke in allen Gesellschaftsschichten
Das habe allerdings Eingang in alle Gesellschaftsschichten gefunden und sei nicht nur mehr ein Phänomen der Bahnhofstoiletten am Zoo. "Wir haben auch die ganze Fallhöhe dargestellt, den absoluten Absturz – in die Sucht, die Obdachlosigkeit, in die Kriminalität und die Prostitution. Und die Szenen, die zum Beispiel einen Entzug zeigen oder den Cold Turkey, sind schon sehr explizit."
Letztendlich sei auch von der Produktion entschieden worden, den Stoff nicht historisch darzustellen, sondern ihn zeitlos zu interpretieren, sagt Fischnaller der Berliner Zeitung.
„Wenn man eine Geschichte aus den 70er-Jahren auf eine zeitlose Ebene transportiert und stilistisch überhöht, muss man zunächst wissen, wie es in Wirklichkeit war, damit man etwas verändern kann“, sagt sie ebenfalls der Berliner Zeitung. „Erst dann kann man mit anderen Kleidungsstücken, Farben und Materialien einen Look herstellen, der dem damaligen Stil sehr ähnelt, aber dann doch wieder neu ist.“
Sie stammt aus Süddeutschland und hat ihre Ausbildung übrigens an der Modeschule in Hetzendorf gemacht. Sie war auch zwei Mal für den Deutschen Filmpreis nominiert. Für die Kostüme in Stefan Ruzowitzkys„Die Fälscher“ und für Florian Gallenbergers „Colonia Dignidad“ mit Emma Watson und Daniel Brühl. Mit dem Fotografen Josef Fischnaller aus Linz ist sie verheiratet, er gilt für viele als der Innovativste seiner Zunft.
Noch immer gültiger Heroin-Chic
Für die "Kinder vom Bahnhof Zoo" habe sich viele Bilder und Filme aus den 70ern angesehen. "Ich schaue kreuz und quer. 70er ist zum Beispiel, wenn ein Mädchen Felljacke und Boots trägt. Das hat es so gegeben", erklärt sie der Vogue. "Aber das haben dann auch Saint Laurent oder Dior in den letzten Jahren gezeigt. Aus diesem 70er-Stil ist so etwas wie der Heroin Chic entstanden, der durchaus auch heute noch Gültigkeit hat."
Etwa Christiane F.s - in vielen Vorschaubildern gezeigte - Pelzjacke in Grau-Rosé. Kostümbildnerin Nicole Fischnaller entdeckte es in einer Valentino-Kollektion aus den letzten Jahren, wie sie der Berliner Zeitung erzählt hat. Auch sonst ließ sie sich von Kollektionen von Yves Saint Laurent, Raf Simons oder Dior inspirieren.
Schon in den 90ern waren dünne, blasse Models wie Kate Moss oder - die damals tatsächlich Heroinabhängige - Jaime King der Inbegriff des Heroin-Chic. Und gerade dürfte das wieder zum Trend werden. Gut möglich, dass "Wir Kinder vom Bahnhof Zoo" da einiges dazu beiträgt.
Kommentare