Wild, verrückt, verspielt: Was bringen die neuen Zwanziger Jahre?

Wild, verrückt, verspielt: Was bringen die neuen Zwanziger Jahre?
In den 1920ern prägten Charleston und Bubikopf den Style, Städte wurden zu Metropolen – und Frauen hauten auf den Putz. Und heute?

Hereinspaziert, hereinspaziert, liebe Leserinnen und Leser, folgen Sie uns, schauen Sie sich um. Und wundern Sie sich, wie die Zeit verschwimmt und die Verhältnisse zu tanzen beginnen.

In der Schulerstraße beim Stephansdom ums Eck richtet der Autor Joseph Roth anno 1920 seine Augen auf die Auslagen eines Varietés: „Auf einem Bild klimmt ein feiner, durchbrochener Seidenstrumpf eine schlanke Beinform hinauf, bis ihn eine ungewisse Wolke aus Spitzen und Unterrock verschluckt.“

Ganz schön verrucht, oder? Aber kennt dieses Wort heute überhaupt noch jemand? Anders gefragt: Wäre eine Josephine Baker in Zeiten von „DSDS: Deutschland sucht den Superstar“ und „Sex an der Burg“ eine alle überragende Attraktion? Sind wir nicht schon viel zu viel Reizen ausgesetzt?

Blicken wir noch einmal zurück. Dort, wo es geht, wird alles freier, frecher und auch – lange vor der Selfie-Ära – selbstverliebter. Begleiten wir den Kaffeehausliteraten Alfred Polgar bei einem Spaziergang durch Wien. Ein wenig später, Mitte der Zwanziger Jahre, wird er in einer Seitengasse der Rotenturmstraße auf „Die Zweite von links“ aufmerksam. „Diese unbekannte, rätselhafte Schönheit, vollendet schön auch an Gestalt, die da im Theaterstück, eine unter vielen, ohne Lust noch Unlust an der Sache, getreulich vorspielte, was ihr vorzuspielen geheißen war, erledigte ihren Part mit einer Art selbstbewusster Tüchtigkeit. Sie trug den Kopf hoch. So, als erscheine es ihr selbstverständlich, dass sie gefallen, auffallen müsse.“

"Blauer Engel" in der Josefstadt

Wer war nun „Die Zweite von links“? Niemand Geringerer als Marlene Dietrich, späterer „Blauer Engel“ und Jahrhundertstar, bei ihrem ersten Auftritt in Wien: als „Broadway“-Girl in den Kammerspielen.

Zu diesem Zeitpunkt studiert der Frankfurter Philosoph Theodor W. Adorno in Wien bei Alban Berg Zwölftonmusik. Ernst Krenek arbeitet bereits an seiner Jazz-Oper „Jonny spielt auf“. Ludwig Wittgenstein, ebenfalls gebürtiger Wiener, hat mit seinem „Tractatus logico-philosophicus“ längst seine denkwürdige Schrift veröffentlicht – in England –, an der kluge Geister noch heute kiefeln. Und in Berlin erreicht der Industrielle Fritz von Opel in einem Raketenauto mit 238 km/h einen neuen Geschwindigkeitsrekord.

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