"Lovin' You"
Mariah Carey ließ sich von der früh verstorbenen Minnie Riperton inspirieren, der Stimme hinter dem Hit ,Lovin’ You’ , weiß Beverly Minor. Und KURIER-Fotograf Jeff weiß auch so einiges. „Lo-ovin’ You-u-u“, überrascht er uns mit einer lupenreinen Gesangseinlage, die sogar die Profisängerin beeindruckt. „Hey, super, du solltest bei uns im Chor mitmachen“, ruft sie spontan aus.
Man sieht und hört, Musik bewegt. Gospelmusik ganz besonders. Sie reißt einen mit, später, beim Reinschnuppern bei der Chorprobe, werden wir sehen, dass sie Dutzende Menschen von 0 auf 100 von den Stühlen reißt. Fast ein magischer Moment.
Alles andere als auf Zack war hingegen Beverly, als es um den professionellen Start ihrer Gesangskarriere ging. „Auf die Bühne, ausgerechnet ich? Lange Zeit war ich dazu zu schüchtern“, outet sich die Solosängerin des „Longfield Gospel Choir“. Singen, ja, aber nur privat oder im Kirchenchor, war ihre Devise.
Da bedurfte es schon einiger Überredungskunst, damit sich der Teenager Beverly nach dem College-Abschluss in New Orleans der Gesangsgruppe ihrer Brüder anschloss.
Aber irgendwann ging ihr der Knopf auf. Da ein Konzert, dort ein Auftritt mit dem Kirchenchor ihrer Heimatgemeinde. Es dauerte nicht lange, dann war das Eis gebrochen. Und, wie sagt man so schön, a star was born.
„Oh Happy Day“
Dabei ging es Beverly Minor nie darum, ein Star zu werden. Dazu ist sie erstens zu religiös. Und zweitens zu bescheiden. Darüber hinaus ist ein Gospelsong auch nicht das Richtige, um mit Popstars um Spitzenplätze in den Charts zu rittern. Hier geht es um etwas anderes. Edwin Hawkins, der Mann hinter dem Jahrhundertlied „Oh Happy Day’, formulierte es einmal so: „Wissen Sie, Gospel ist nicht der Sound und nicht der Klang: Es ist die Botschaft. Wenn es von Jesus Christus handelt, ist es Gospel.“
Komponisten wie Bach, Mozart, Haydn oder Beethoven waren ihr natürlich auch schon im Mississippi-Delta ein Begriff. Aber so richtig arbeitete sie erst in Wien mit den Meistern der Klassik. „Bachs ,Ave Maria’ habe ich auch im Repertoire“, sagt Beverly Minor und ergänzt: „Das ist schon meilenweit entfernt von den traditionellen Gospel-Kompositionen.“
Als sie vor fünf Jahren in Wien landete, suchte die gläubige Baptistin Anschluss an eine Kirchengemeinschaft und bekam alsbald Kontakt zum Chor von Georg Weilguny. Eine gelungenen Kombination. Weilguny ist sichtlich stolz, dass er mit dieser Solosängerin die Auftritte mit dem Longfield Gospel Choir authentischer gestalten kann. Und Beverly Minor blüht an Tagen wie diesen geradezu auf. „Die Arbeit mit dem Chor ist ein Geben und Nehmen“, meint dazu der Dirigent und Chorleiter. „Wenn das im Einklang ist, gibt es lauter glückliche Gesichter.“
Happy
Vor allem im Publikum. Und das ist im Fall der mehr als 400 Sänger und Sängerinnen zählenden Gospel-Plattform von Georg Weilguny wirklich breit gestreut. Eben erst bestritten die Longfield Gospel Singers in der Votivkirche in Wien einen Benefizabend für die „Messe Seelenfrieden“. Eine Woche zuvor sang der Longfield Gospel Choir für die „Österreichische Muskelforschung“. Und viele neuen Fans kamen hinzu, als die Formation Longfield Gospel vergangenen Mai mit den Wiener Symphonikern und Conchita Wurst am Wiener Heldenplatz das Fest der Freude aufwertete.
Heute, Samstag, tritt der Longfield Gospel Choir in der Pfarrkirche Zwentendorf auf. Am Sonntag folgt ein Gospel Workshop am Weihnachtsmarkt Enkplatz in Simmering. Dann ist einmal Pause. Und Weihnachten steht vor der Tür.
Auch für Beverly Minor privat ist das ein ganz großer Tag. „Weihnachten und Singen passen einfach zusammen. Dazu gehört auch, dass ich mir viele Weihnachtslieder anhören. Vielleicht nicht unbedingt zehn Mal hintereinander ,Last Christmas’ von Wham!“, lacht sie. „Aber ,All I Want For Christmas’ von Mariah Cary gehört sicher dazu.“
Freedom
Und natürlich Gospelklassiker wie ,Down by the Riverside’. Und dazu erzählt Beverly Minor noch rasch eine abenteuerliche Story. Während man meinen könnte, dieses Lied verarbeite „nur“ biblische und pazifistische Aussagen – „down by the riverside / I ain't go study war no more...“ – verstanden die schwarzen Landarbeiter besonders eine Liedzeile als Botschaft, sich später in der Dunkelheit am Fluss zu treffen. Und dann Pläne zu schmieden, wie man endlich den geeigneten Zeitpunkt herbeiführen kann, um der Sklaverei zu entfliehen. In den Norden. In die gelobte Freiheit. Kein Zufall also, warum das Wort „Freiheit“ in den Liedern der Sklaven so oft vorkommt.
Herzerfrischend
Klassische Musik soll den Körper erreichen, meint etwa der Musikwissenschafter Benjamin Walter vom Jesus College der Universität Cambridge. Bei der Gospelmusik braucht man sich keine Sorgen machen, dass sie dieses Ziel verfehlt.
Wer es nicht glaubt, soll einmal bei einem Gospel-Workshop reinschnuppern. Da geschieht das auf ganz natürliche Weise. Ohne großes Brimborium. Ohne aufwendige Proben. Kaum schlägt Georg Weilguny ein, zwei Akkorde zu „Oh Happy Day“ am Piano an, ist alles im Fluss: die klatschenden Hände, die wippenden Körper, die strahlenden Mienen. Beverly, Danke für diesen schönen Tag.
Auch sie machten Gospel sehr populär: Whoopie Goldberg und Lauryn Hill in dem Kinofilm "Sister Act".
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