Fragt man die Österreicher nach ihren höchsten Werten im Leben, so erachten sie einen respektvollen Umgang miteinander und ihre persönliche Freiheit als besonders wichtig. Diese beiden Spitzenreiter sind laut Erhebung typisch für das Wertegefüge der Menschen hier. Es steht vor allem die Art des Umgangs miteinander – also das gute Funktionieren der Gesellschaft als menschliches Kollektiv – im Vordergrund.
Einen hohen Stellenwert haben auch Chancengerechtigkeit und Fairness, Gleichberechtigung von Frauen, Offenheit und Toleranz sowie Solidarität. Neben all diesen Werten, die die Gemeinschaft in den Mittelpunkt rücken, ist den Befragten das Individuum allerdings genauso wichtig. Worüber der Psychologe und Entwickler des Konzepts der bekannten Bedürfnispyramide, Abraham Maslow (1908 bis 1970), wohl staunen würde: Selbstverwirklichung, die möglicherweise zu wenig Rücksicht auf die Bedürfnisse anderer nimmt, ist heute weniger wichtig als zu seiner Zeit. Die jüngeren Befragten aber legen auf Selbstverwirklichung überdurchschnittlich viel wert – auf Eigenverantwortung vergleichsweise wenig.
Auch interessant: Leistungsbereitschaft stößt bei Jüngeren auf wenig Resonanz, am wichtigsten ist sie den älteren Befragten, die meist wohl gar nicht mehr im Berufsleben stehen.
„Der ZukunftsMonitor soll Nutzen für eine erfolgreiche Zukunft von Unternehmen und Gesellschaft stiften“, sagt IV-Präsident Georg Kapsch. Als Industrie interessiere man sich schließlich nicht nur für die harten Faktoren, etwa die Steuer- oder Schuldenquote: „Uns müssen auch die genauen Beweggründe für das Wohlbefinden der Menschen interessieren. Denn wahr ist immer auch, was man wahrnimmt.“ Laut der Erhebung ist eine dieser Wahrheiten die Unzufriedenheit beim Thema Gerechtigkeit. Die Österreicher empfinden die Gesellschaft, in der sie leben, mehrheitlich als ungerecht. Für 60 Prozent sind es die sozialen Unterschiede, die sie bestürzen. Für 55 Prozent der befragten Personen ist die Chancengleichheit hierzulande nicht ausreichend.
Woher genau diese empfundene Ungerechtigkeit stammt, sei kausal schwer festzumachen. Korrelationen bestünden in Umfragen häufig hinsichtlich fehlender Aufstiegsmöglichkeiten, mangelnder Verdienstmöglichkeiten, knappem Auskommen mit dem persönlichen Arbeitseinkommen, dem Anteil an Wohnkosten am Einkommen oder der Wahrnehmung einer Zwei-Klassen-Medizin im Gesundheitsbereich. Andere Studien, etwa von der OECD, konstatieren für Österreich in der Regel keine hohe Bildungsmobilität, also eine hohe Vererbung von Bildung und sozialem Status, der ebenso die Grundlage dieser Zusammenhänge sein könnte.
Privatleben, Arbeit und Bildung spielen im Leben der Österreicher eine deutlich größere Rolle als die äußeren Rahmenbedingungen, wie Wirtschaft oder auch Politik, wobei letzterer eine sehr geringe Bedeutung zugemessen wird. Religion ist in Österreich mittlerweile laut der Erhebung ein Minderheitenprogramm. Mehr als die Hälfte der Befragten hält sie für unwichtig, ein weiteres Viertel äußert sich schwach positiv, bleiben nur 18 Prozent, für die Religion wirklich Relevanz besitzt.
Das Privatleben ist von ganz besonderer Bedeutung. 71 Prozent stufen die Familie als äußerst wichtig ein. Es bleibt gerade einmal ein Prozent, dem die Familie nichts bedeutet. Das Urteil der Österreicher zu ihrer allgemeinen Lebenssituation fällt höchst positiv aus: Nahezu drei Viertel bezeichnen sich selbst als zufrieden, lediglich zehn Prozent als unzufrieden.
Die unter 30-Jährigen sind allerdings gerade einmal genauso zufrieden wie die Befragten mit sehr niedrigem sozioökonomischem Status. Menschen, die in ländlichen Gebieten wohnen, zeigen sich eine Spur zufriedener mit ihrer Lebenssituation als jene, die in Wien oder anderen größeren Städten leben.
In Hinblick auf die Emotionen, die sich ergeben, wenn die Menschen an die Zukunft denken, zeigt sich, dass vor allem die Entwicklung der eigenen sozialen Beziehungen sehr positiv eingeschätzt wird. Auch sehr bemerkenswert: Knapp die Hälfte der Österreicher trägt zum Gemeinwohl bei, indem sie regelmäßig Freiwilligenarbeit leistet.
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