"Landflucht": Wilde Tiere erobern die Städte
Wer in Wien, Linz oder Graz wohnt, der merkt eine unbekannte städtische Ruhe. Die Stadtbewohner spüren, dass etwas anders ist. Weniger Autos, weniger Stimmen, weniger Lärm. Das Coronavirus zwingt uns in unsere Häuser. Und das führt rund um den Globus dazu, dass nun wilde Tiere in Städten gesichtet werden.
In Chiles Hauptstadt Santiago lief vergangene Woche zum Beispiel ein Puma durch die Straßen. Laut der chilenischen Landwirtschafts- und Viehbestands-Behörde SAG hatte sich die zirka einjährige Wildkatze aus den Bergen hervorgewagt, weil weniger Menschen auf den Straßen waren.
In den leeren Straßen der Hafenstadt Trincomalee in Sri Lanka trieb sich unterdessen am Montag ein Hirsch herum.
Die Wildtiere hätten nun "freie Bahn, um sich in den Städten zu bewegen", sagte Romain Julliard, Forschungsdirektor des französischen Nationalmuseums für Naturgeschichte, im deutschen TV-Sender MDR.
Die aktuellen Ausgangsbeschränkungen in Europa fallen für viele Arten, wie die Erdkröte und den gefleckten Salamander, mit deren Paarungszeit zusammen. Diese Tiere würden sonst "regelmäßig die Straßen überqueren und dabei überfahren werden", sagte Jean-Noël Rieffel, Regionaldirektor des französischen Büros für biologische Vielfalt in Val-de-Loire. Weniger Autoverkehr würde bald mehr Nachwuchs bedeuten.
Sika-Hirsche ziehen durch die Stadt
In der japanischen 350.000-Einwohner-Stadt Nara wurden ab Mitte März zahlreiche Sika-Hirsche gesichtet. Normalerweise leben die bei Touristen beliebten Hirsche im Nara-Park, doch weil die Besucher wegen des Virus ausblieben, verließen sie die Anlage und zogen durch die Stadt.
Dabei gilt das Verhältnis von Sika-Hirsch und Mensch als kompliziert. 2018 berichtete die Leitung des Nara-Parks von einem Anstieg an Verletzten - die Paarhufer hätten bei Fütterungen immer wieder Touristen gebissen. "Die Hirsche sind wilde Tiere, sie werden wütend, wenn Menschen sie ärgern", sagte damals ein Mitarbeiter der Parkverwaltung. Man solle die Tiere beim Füttern nicht reizen, sondern sie sofort aus der Hand fressen lassen.
Kaschmir-Ziegen: Ab durch die Hecke
Auch in Wales kann man dieser Tage die Territorialgewinne der Tierwelt bestaunen: Eine Herde wilder Kaschmir-Ziegen hat die verwaisten Straßen des britischen Badeorts Llandudno erobert. Die Tiere kamen von einem kleinen Berg im Norden von Wales herunter und tummeln sich seitdem in dem Ort an der Irischen See. Und: Sie fressen auch die Hecken in der Gemeinde.
Manche Einwohner nennen die Ziegen "Vandalen". "Es gibt einfach keinen Weg, die Tiere zu stoppen", sagte ein Vertreter der Gemeinde dem Guardian.
Aasgeier auf Autobahn
Aus Ecuador gibt es ein Foto vom Sonntag, das zwei Rabengeier beim ungestörten Fressen eines Tierkadavers auf einer Autobahn in der Nähe Hauptstadt Quito zeigt.
Stille Wasser
Auch im Meer erholt sich die Natur wegen der Folgen des Coronavirus ein wenig. Im französischen Nationalpark Calanques vor den Toren von Marseille schwammen Delfine an Stellen, wo sie sonst nicht zu sehen sind.
Kommentare