Science-Fiction-Boom: Völlig schwerelos in Film und Serie
Brad Pitt fliegt an den Rand unseres Sonnensystems zum Neptun. Riesige Auswanderer-Raumschiffe landen auf Kepler 22b, einem Exoplaneten in einer habitablen Zone, etwa 600 Lichtjahre von der Erde entfernt. Und in der Serie „The Expanse“, deren langerwartete 5. Staffel knapp vor Weihnachten endlich anläuft, sind nicht nur Mond und Mars längst besiedelt, sondern sogar der Asteroidengürtel mit den Planeten Ceres.
Ganz ähnlich wie in den 60ern und 70ern des letzten Jahrhunderts, der Hochzeit der Sci-Fi-Serien und -Filme, fliegen wir mit den Hollywood-Stars derzeit wieder durch das Weltall, dass es eine Freud ist. Damals war es das Rennen um den Mond und kurz darauf die Euphorie, dass es ein paar wagemutige Jungs mit rückblickend betrachtet unglaublich schlechter Ausrüstung tatsächlich geschafft haben, darauf zu landen. Das Sonnensystem schien uns zu gehören, eigentlich gleich die ganze Galaxie! Keine Grenzen mehr, alles war möglich. Wir erinnern uns: „Der Weltraum, unendliche Weiten. Dies sind die Abenteuer des Raumschiffs Enterprise, das mit seiner 400 Mann starken Besatzung unterwegs ist ...“
Star Trek und Star Wars wurden zu echten Dauerbrennern und die „Alien“-Filme brachten eine völlig neue Dimension der Angst ins All. Aber in der Realität erwies sich der Mond als langweiliger kalter Steinhaufen, während die Gleichung aus möglicher Geschwindigkeit und existierenden Entfernungen jedes andere Ziel unerreichbar machte. Ernüchterung und Katerstimmung wirkten sich auch auf die Filmbranche aus. Danke, Relativitätstheorie!
Seit ein paar Jahren sieht die Sache – zumindest, was die Filme anbelangt – aber wieder ganz anders aus. So schreibt das Branchenblatt Fictionphile: „Sci-Fi-Filme haben das Kino übernommen. Wenn's ein Blockbuster ist, kann man in neun von zehn Fällen davon ausgehen, dass es sich um einen Sci-Fi-Streifen handelt.“ Auch wenn diese Sichtweise ein bisschen gar euphorisiert ist, muss man doch feststellen: Die Dichte an hochwertigen Weltraumabenteuern ist aktuell mehr als erstaunlich.
Das Weltall wartet
Vielleicht hat die neue Faszination an der Raumfahrt ja damit zu tun, dass das Rennen um den Mond mit chinesischer Beteiligung wieder aufgenommen wurde. So ist etwa die deutsche Astronautin Insa Thiele-Eich davon überzeugt, dass innerhalb eines absehbaren Zeitraums bemannte Mondstationen existieren werden. Auch der Mars ist uns näher denn je, nicht nur physisch, sondern auch, was die technische Erreichbarkeit betrifft, vor allem aber die Ambitionen verschiedenster Interessengruppen, auch tatsächlich hinzugelangen. Und vielleicht ist in unserer Zeit ganz einfach die Sehnsucht nach den Sternen besonders groß.
Diese Sehnsucht wird filmisch in ganz unterschiedlichen Ausprägungen befriedigt. Es gibt die „Space Operas“, wie das bereits erwähnte „Star Wars“ oder ganz aktuell die „Dune“-Verfilmung des Star-Regisseurs Denis Villeneuve, die nächstes Jahr in unsere Kinos kommen wird. Oder möglichst realistische Darstellungen von zukünftigen Weltraumreisen, wie im „Marsianer“, der vor fünf Jahren für ein Revival des Genres gesorgt hat. Auch Brad Pitt machte seine Reise zum Neptun im Kino-Hit „Ad Astra“ nicht mit Warp-Antrieb und ähnlichen Spielereien.
„Hard Sci-Fi“ nennt sich das Genre, dem es um Plausibilität und realistische technische Möglichkeiten geht. Wobei die Grenzen dabei doch einigermaßen fließend sind – oder sich ganz einfach im Lauf der Zeit verschieben. Immerhin sind unsere Handys heute wesentlich leistungsstärker als die Kommunikatoren der frühen Enterprise. Okay, beamen können wir noch nicht, und die Sache mit dem WARP-Antrieb ist auch noch nicht wirklich weit gediehen. Wobei das theoretisch möglich sein könnte, wie Wissenschaftler bestätigen. Wenn ein Raumschiff groß genug wäre, um den Raum vor sich zu krümmen. Und ja, Antimaterie wäre auch nicht schlecht, aber die muss es da draußen irgendwo geben, weil unser ganzes Konzept vom Weltall sonst nicht funktionieren würde ...
Inzwischen kommen allerdings immer mehr Filme und Serien ganz ohne Lichtgeschwindigkeit aus. In „Away“ (Netflix) fliegt Hilary Swank mit ihrer Crew zum Mars, im klaustrophobisch spannenden Film „Stowaway“ des Brasilianers Joe Penna sind Angst und Beklemmung die Thriller-Ingredienzien, nicht Technik oder schwindelerregende Geschwindigkeiten.
Und in der hochgelobten Serie „The Expanse“ (Amazon) haben Menschen sich das Sonnensystem zwar angeeignet, bleiben in ihren technischen Möglichkeiten aber doch halbwegs auf dem Boden der Realität. Die Spannung nährt sich aus Konflikten, die man aus der Kolonialzeit der Erde kennt. Und zeitgenössischen politischen Intrigen. Spannendes Konzept.
Das trifft aber natürlich auch auf die Sci-Fi-Stoffe zu, die größer, weiter denken. Ridley Scott, von dem wir nächstes Jahr auch den letzten Teil seiner Alien-Sequel-Reihe „Covenant“ erwarten dürfen, hat mit „Raised By Wolves“ ein faszinierendes TV-Erlebnis kreiert: Nachdem ein Glaubenskrieg die Erde völlig zerstört hat, treffen Atheisten und Kultanhänger auf dem 600 Lichtjahre entfernten Planeten Kepler 22b wieder aufeinander.
Die jahrhundertelange Reise dorthin überstehen sie in Kältekammern. Auf dem Planeten finden sie Relikte einer längst untergegangenen Kultur. Ein virtuoses Spiel mit Geschichte und Zukunft und der Fähigkeit zu lernen. Oder eben nicht.
SCI-FI-TIPPS:
Film: „Breach“, Bruce Willis, Thomas Jane (Winter 2020/2021); „Chaos Walking“, Tom Holland (Winter 2021); „The Tomorrow War“, Chris Pratt, Yvonne Strahovski (Sommer 2021); „Voyagers“, Colin Farrell, Lily-Rose Depp (Frühling 2021); „Dune“, Timothée Chalamet, Josh Brolin, Javier Bardem (Herbst 2021).
Serien: „Raised By Wolves“, Travis Fimmel (HBO/Sky); „Away“, Hilary Swank (Netflix); „The Expanse“, Dominique Tipper, Thomas Jane (Amazon, 5. Staffel ab 16.12.2020); „Lost In Space“, Parker Posey (Netflix, 3. Staffel Frühling 2021)
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