Seine Sprach- und Religionskenntnisse nutzte er schließlich, um unter Lebensgefahr als erster Europäer nach Mekka und Medina zu pilgern. Auch in die heilige Stadt Äthiopiens, das entlegene Harar, gelang er auf ähnlich abenteuerliche Weise. Als von Kulten und Religionen faszinierter Forscher reiste er 1860 in die Westernstadt Salt Lake City, um Brigham Young und seine junge Mormonen-Gemeinde zu studieren.
Er bestieg als erster Europäer den Kamerunberg, erforschte das Niger-Delta, lernte westafrikanische Sprachen, war britischer Konsul in Damaskus, Brasilien, Guinea und schließlich in Triest. Er übersetzte orientalische Werke wie das „Kamasutra“, „Geschichten aus 1001 Nacht“ und den „Duftenden Garten“, schrieb mehr als 40 Bücher und beherrschte am Ende seines Lebens um die 30 Sprachen, darunter Deutsch, Isländisch und Okzitanisch. Was hat dieser Mensch nicht alles erlebt und gesehen, in einer Zeit, als Reisen nicht wirklich üblich war, außer zur Sommerfrische, und vor allem wirklich lang gedauert hat. So ganz ohne Non-Stop-Flug nach Brasilien oder Lagos, Bombay oder Salt Lake City. Tage, Wochen unterwegs. Können wir uns das heute überhaupt vorstellen?
Ein Mann wie ein Meteor
Wir vielleicht nicht, aber Jack London könnte darüber ein Lied singen. Gut, vielleicht nicht singen, aber auf jeden Fall konnte er darüber unglaublich spannende Bücher schreiben. Mit 15 war der aus ärmsten Verhältnissen stammende London der jüngste „Austern Pirat“ der Bucht von San Francisco, mit 17 heuerte er auf dem Robbenfang-Schoner „Sophie Sunderland“ an und segelte mit ihm über die Beringsee bis nach Yokohama. Zurück in den USA hatte die Depression das Land fest im Griff, London nahm am langen Marsch der Arbeitslosen zur Hauptstadt Washington teil, war Landstreicher und musste für 30 Tage ins Gefängnis.
Mit 21 schloss er sich dem „Klondike Gold Rush“ an, wurde allerdings nicht reich, sondern krank, sammelte dafür aber jede Menge Eindrücke, die später in seinen Büchern Platz finden würden. Und kam zur Einsicht, dass man der Falle aus Arbeitslosigkeit und Ausbeutung nur durch Bildung entgehen konnte. Ein befreundeter Barbesitzer hatte ihm Geld geliehen, das er in drei Semester an der renommierten Berkeley Universität von San Francisco investierte. Dann begann London zu schreiben. Und wie! „Ruf der Wildnis“, „Wolfsblut“ und natürlich der oft verfilmte „Seewolf“ – alle Erfahrungen Londons flossen in seine Werke ein. Und London reiste weiter. Als Kriegsberichterstatter im Russisch-Japanischen Krieg, als Undercover-Journalist im Ghetto des Londoner East End – und immer wieder in die Südsee und nach Hawaii. Was für ein Leben! Und die Maxime großer Rock ’n’ Roll-Helden wie Kurt Cobain oder Neil Young nahm er auch gleich vorweg: „Ich will lieber Asche sein, als Staub!“, schrieb er, und: „Ich will lieber, dass mein Lebensfunke in einer hellen, gleißenden Flamme ausbrennt, als dass er in Fäulnis erstickt. Ich will lieber ein prächtiger Meteor sein, der in all seinen Atomen zugleich verglüht als ein langlebiger verschlafener Planet.“ Er wurde nur 40 Jahre alt ...
Abenteuer überall
Die Liebe zu tropischen Inseln teilte London mit Schriftsteller-Kollegen Herman „Moby Dick“ Melville, der tatsächlich jahrelang zur See gefahren ist und auch als Walfänger vor den Bahamas, der südamerikanischen Pazifikküste, den Galapagos-Inseln und den Marquesas gearbeitet hat. Oder auch Ernest Hemingway, dessen Natur es war, wie sein Freund und Bewunderer James Joyce fasziniert feststellte, auch in Pariser oder venezianischen Bars ebenso Abenteuer zu erleben wie im Kongo, wo er einen Flugzeugabsturz überlebte, in Uganda, Tansania, in Key West, Kuba oder beim Hochseefischen in der Karibik.
Auch Chanson-Legende Jacques Brel teilte diese Sehnsucht. Als 38-Jähriger beschloss Brel, dem Musikerleben den Rücken zuzuwenden, und kaufte sich eine Yacht. Seine Pläne, die Welt zu umsegeln wurden immer wieder durch Filme, die er noch zu drehen hatte, verzögert, aber mit 44 machte er ernst: Er überquerte auf seiner Yacht den Atlantik, schipperte mit Tochter und Freundin in der Karibik rum, um schließlich über den Panamakanal in den Pazifik vorzustoßen. Schließlich landete er auf Hiva Ova, einer kleinen Insel der polynesischen Marquesas. Um dortzubleiben.
Jacques Brel frischte seinen Flugschein auf und arbeitete schließlich als Versorgungs- und Post-Pilot zwischen den Marquesas und Tahiti. Was Brel dazu bewegte, endlich zu tun, was er so lange tun wollte? Die Ärzte hatten Lungenkrebs bei ihm festgestellt. Vielleicht sollte man nicht so lange warten, um seine Träume zu verwirklichen. Brel starb mit 49, er ist auf Hiva Ova begraben, wo er das Leben geliebt hatte. Gar nicht weit entfernt von Paul Gauguin, einem anderen großen Reisenden.
Um die Welt und auf zum MarsHeute sind es hauptsächlich exzentrische Self-Made-Millionäre wie Richard Branson oder Elon Musk, die uns mit auf ihre Reisen nehmen. Im Ballon oder der Yacht rund um die Welt – und vielleicht irgendwann zum Mars.
Es gibt aber immer noch Literaten, die uns an ihren extremen Erlebnissen teilhaben lassen. Wie etwa Christoph Ransmayr, der zuerst nur über Abenteuer im ewigen Winter schrieb („Die Schrecken des Eises und der Finsternis“), bevor ihn die Freundschaft zu Bergsteiger-Legende Reinhold Messner tatsächlich ins Hochgebirge und zum Nordpol führte.
Ein Weltreisender war Ransmayr jedoch immer schon. Auch das merkt man, wenn man seine über die Maßen schönen Bücher liest.
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